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Tausend und eine Nacht, Band 4

Tausend und eine Nacht, Band 4

Titel: Tausend und eine Nacht, Band 4
Autoren: Gustav Weil
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Rang einnehme. Da nun du, o König, alle Herrschertugenden im höchsten Maße besitzt und dein Land durch dich so gesegnet ist, so mußte es uns weh tun, dich ohne Nachkommen zu sehen; nun hat aber Gott unser Gebet erhört. Deine Hingebung und volles Vertrauen zu Gott wurde belohnt, wie das des Raben mit der Schlange.« Der König fragte: »Was ist das für eine Geschichte?«

Geschichte des Raben und der Schlange.
    Wisse, o König, erzählte der zweite Vezier: Einst wohnte ein Rabe mit seinem Weibchen auf einem Baum. Als die Zeit kam, wo sie Junge ausbrüteten – es war im Sommer – da kroch eine Schlange aus ihrer Höhle hervor, hing sich an die Wurzel des Baumes fest, schlich hinauf, bis sie zu dem Nest des Raben gelangte, legte sich hinein und brachte den ganzen Sommer darin zu. Der Rabe wartete, bis sie nach der heißen Jahreszeit das Nest wieder verließ, und ging dann wieder hinein mit seinem Weibchen und sagte zu diesem: »Laßt uns Gott danken, der uns von diesem Übel befreit, und haben wir auch dieses Jahr keine Jungen ausbrüten können, so hören wir doch nicht auf, auf Gott, unseren Schöpfer, zu vertrauen, und danken wir ihm, daß er uns gesund und wohl wieder hierher zurückkehren ließ. Wir müssen uns eben in seinen Willen fügen, vielleicht werden wir das nächste Jahr uns an unseren Jungen freuen.« Als aber die Zeit kam, wo sie wieder Eier legten, kam die Schlange wieder aus ihrer Höhle, und wollte wieder auf den Baum kriechen und in das Nest des Raben schleichen. Da ließ sich aber ein Raubvogel vom Himmel herunter, biß sie in den Kopf, daß sie ohnmächtig zu Boden fiel, und die Ameisen sich um ihre Wunde sammelten und sie auffraßen. Der Rabe lebte nun in Ruhe mit seinem Weibchen, das ungestört seine Eier ausbrütete und den Schöpfer pries. – »So wollen auch wir Gott danken, daß er dich mit einem Sohne gesegnet, und beten, daß er alles zu einem glücklichen Ende führe!« Der dritte Vezier begann hierauf: »Freue dich, o König, mit der Wohltat des Himmels, der dir ebenso hold ist, wie allen Menschen, die in deinem Reich leben. Alles, was der Mensch hat, kommt ihm ja von Gott, der jeden nach Willen beschenkt, den einen mit Wohlstand und Kindern, den anderen mit Vernunft und Verstand; er erhebt und erniedrigt, macht reich oder arm, und für alles muß man ihm danken. Aber du, o König, gehörst zu den Glücklichen in diesem Leben, und wirst es auch einst jenseits werden. Doch jeder muß mit seinem Los zufrieden sein, und wer sich nicht begnügt mit dem, was er hat, dem geht es wie dem wilden Esel mit dem Fuchs.« Der König fragte: »Was ist das für eine Geschichte?« Der Vezier antwortete:

Geschichte des wilden Esels mit dem Fuchs.
    Man erzählt, o König! Einst lebte ein Fuchs, der jeden Tag seine Höhle verließ, um sich seine Nahrung zu verschaffen. Eines Tages, als er wie gewöhnlich aufs Gebirge ging, traf er einen anderen Fuchs, und sie erzählten einander, was sie auf ihrem Raubzug gefangen. Da sagte der eine: »Ich traf gestern einen toten wilden Esel, und da ich sehr hungrig war, – denn ich hatte in drei Tagen fast gar nichts gegessen – freute ich mich sehr darüber und dankte Gott, der mir ihn beschert. Ich habe mich an dessen Herz so satt gegessen, daß ich seit drei Tagen nicht hungre.« Als der andere Fuchs dies hörte, beneidete er ihn und dachte bei sich: Ich muß doch auch einmal ein Eselsherz essen, um satt zu werden. Er ging so lang mit diesem Gedanken um, bis er ganz mager wurde und erschöpft in seiner Höhle lag. An diesem Tag gingen Jäger auf die Jagd und konnten den ganzen Tag nichts schießen, bis sie endlich einen wilden Esel trafen. Einer von ihnen schoß mit einem Pfeile nach ihm, der im Herzen stecken blieb, worauf der wilde Esel leblos vor die Höhle des Fuchses hinfiel. Die Jäger wollten dem Esel den Pfeil aus dem Herzen ziehen, aber nur das Holz ging heraus, die eiserne Spitze blieb darin stecken.
    Als der Fuchs das Geräusch vor seiner Türe hörte, verbarg er sich bis Nachts, wo die Jäger wieder fort waren. Jetzt kam er langsam aus seiner Höhle hervor, denn er konnte vor Schwäche nicht mehr schnell gehen, und freute sich sehr, als er einen toten Esel vor der Türe fand, und dankte Gott, der ihm so seinen Wunsch ohne Mühe erfüllt. Er ging heißhungrig darauf los, riß ihm den Leib auf und wühlte mit seinem Kadaver umher, bis er das Herz fand. Aber die Spitze des Pfeils blieb ihm im Hals stecken und brachte ihn dem Tod nahe; da klagte und
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