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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel
Autoren: G. M. Ford
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    »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir hundertdreiundsechzig Geiseln in unserer Gewalt. Ab heute Abend, Punkt achtzehn Uhr, werde ich alle sechs Stunden eine davon erschießen, so lange, bis mir Frank Corso ausgeliefert wird.« Die Handkamera wackelte, doch die Stimme verlor nicht einen Augenblick ihren Befehlston, und die Augen, die durch den Schlitz der Skimütze zu sehen waren, blinzelten nicht ein einziges Mal.
    Das Bild rollte einmal, dann war der Bildschirm leer. Gouverneur James Blaine schaute über die Schulter hinweg Gefängnisdirektor Elias Romero an. Die ungestellte Frage hing wie Artillerierauch in der Luft.
    »Er heißt Timothy Driver«, sagte Elias Romero. »Er ist uns aus Washington überstellt worden. Lebenslänglich ohne Bewährung … Doppelmord mit besonderer Schwere der Schuld.«
    Begreifen flackerte über das pausbäckige Gesicht des Gouverneurs. »Dieser Navy-Typ? Der Captain?«
    »Ja, Sir«, bestätigte Romero. »Driver war Captain bei der Navy.« Romero räusperte sich. »Kam ein bisschen zu früh von einer Fahrt zurück. Hat seine Frau mit einem Mann aus dem Ort im Bett erwischt. Ist durchgedreht. Hat sich eine Waffe besorgt und die beiden auf der Stelle abgeknallt, in seinem eigenen Bett. In seiner ersten Woche im Staatsgefängnis in Washington hat er einen Mithäftling geblendet und einen Wachmann niedergestochen. Der Häftling war ein ganz Großer in der Arier-Bruderschaft. Der Wachmann war ein erfahrener Mann, beliebt bei seinen Kollegen. Washington hielt es für zu gefährlich, Driver noch länger zu behalten … Also haben sie ihn zu uns geschickt.«
    Der Gouverneur vergrub die Hände in den Taschen seines Anzugs. »Wie zum Teufel konnte so etwas passieren?«, wollte er wissen. »Meza Azul sollte doch eigentlich …« Er hielt inne. »Wenn ich mich recht erinnere, sollte die Anlage doch gerade verhindern, dass so etwas jemals passiert.«
    »Ja, Sir, das stimmt.« Romero zeigte auf die Phalanx der Überwachungsmonitore, die beinahe die gesamte Südseite des Wachbüros einnahm. Die Monitore waren leer und schwarz. Romero räusperte sich. »Wir haben noch die letzten Augenblicke auf Band, bevor Driver die Sicherheitssysteme ausgeschaltet hat. Eine Minute fünfundvierzig. Es ist ziemlich …«
    »Lassen Sie mich das mal sehen«, unterbrach ihn der Gouverneur.
    Romero ging auf die andere Seite des Raums, drückte ein paar Knöpfe und machte dann Platz, damit der Gouverneur dicht vor den Monitor treten konnte. Weißes Rauschen füllte den zentralen Bildschirm.
    »Es ist ziemlich heftig«, warnte Romero.
    »Ich bin alt genug«, versicherte ihm der Gouverneur.
    Das Bild erschien. Eine Aufnahme von oben. Jemand in der Uniform eines Wachmanns steckte eine elektronische Schlüsselkarte in eine Art Aufzugtür, musterte alle vier Wände, zog etwas aus der Innentasche und kehrte dann volle dreißig Sekunden lang der Kamera den Rücken zu. »Das ist Driver«, erklärte Romero. Auf dem Bildschirm konnte man sehen, wie Driver sich aufrichtete und mit dem Zeigefinger auf der Tastatur an der Wand etwas eintippte. Romero kommentierte: »Er hat gerade den Sicherheitsschlüssel für den Aufzug zum Kontrollzentrum benutzt, dann …« Er hob verzweifelt die Arme. »Und dann hat er irgendwie die biometrische Fingerabdruck-Erkennung umgangen.«
    »Sagen Sie das noch mal.«
    Romero griff um den Gouverneur herum und hielt das Band an.
    »Jeden Tag haben nur fünf Personen Zugang zum zentralen Aufzug. Der Mitarbeiter des Kontrollzentrums, den Sie gleich noch sehen werden, und die vier ranghöchsten Officers des Wachpersonals.« Er ließ kraftlos die Arme fallen. »Er hat eine Möglichkeit gefunden, das zu umgehen.« Mit einer schnellen Bewegung bediente er die Tastatur. Die Figur setzte sich wieder in Bewegung. »Sehen Sie. Er gibt den Sicherheitscode ein.«
    Auf dem Bildschirm glitt eine Tür auf. Driver trat hindurch und verschwand für einen Augenblick.
    Blaines Gesicht war jetzt rot angelaufen. »Wie um Himmels willen konnte ein Gefangener auch nur an einen einzigen dieser Gegenstände kommen?«, sprudelte er hervor. »Eine Uniform …«, er wedelte mit einer großen, leberfleckigen Hand, »… den Sicherheitscode. Wie konnte …?«
    Romero schüttelte kaum merklich den Kopf, weigerte sich zu spekulieren. Er hielt sich an die Fakten.
    Auf dem Monitor war jetzt das Innere des Aufzugs zu sehen. Der Mann in der blauen Uniform stand mit gefalteten Händen und gelangweiltem Gesichtsausdruck ruhig in der Mitte
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