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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich
Autoren: Janet Clark
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Parzelle? Sara dachte an ihr winziges Appartement. Nicht eine Pflanze hatte dort gestanden. Nein, Valeska war keine Hobbygärtnerin. Was also suchte sie dort? Unterschlupf? War ihre Wohnung nicht mehr sicher? Von der Polizei belagert? Oder hatte doch Carlo das Handy eingesteckt? Kurz entschlossen wählte sie Jonas’ Nummer. Sofort meldete sich die Mailbox. Jemand musste die Rufumleitung eingeschaltet haben.
    Plötzlich riss der Taxifahrer das Steuer herum. Er wendete und bog in die nächste Seitenstraße ab.
    »Was machen Sie? Sind Sie verrückt?« Sara krallte sich am Türgriff fest, während das Taxi stark beschleunigte. »Wir wären beim nächsten Grün über die Ampel gekommen!«
    »Acht! Was zum Teufel macht der Junge ausgerechnet in dieser Schrebergartensiedlung?« Das grimmige Gesicht drückte Unverständnis über ihre Verantwortungslosigkeit aus. »Um die Uhrzeit! Im Winter! Der Bub müsste zu Hause sein! Wissen Sie, wie gefährlich es dort ist?«
    Sara starrte ihn konsterniert an. Bub? Er dachte, Jonas …? Natürlich, er konnte ja nicht ahnen, dass nicht mal sie selbst wusste, wem sie wirklich nachfuhr. Dass sie nur annahm, Valeska könnte im Besitz von Jonas’ Handy sein. Mit Sicherheit wusste sie nur, dass Michael demselben Signal folgte wie sie, allerdings im festen Glauben, ihr zu folgen. Der Fahrer machte eine Vollbremsung, hupte und fuhr dann viel zu schnell durch eine schmale Gasse. Die Dämmerung tauchte die Straßen allmählich in Dunkelheit.
    »Ich sagte doch, es ist ein Notfall!« Bei dem Gedanken, Jonas könnte dort alleine umherirren, musste Sara sich nicht einmal bemühen, aufgeregter zu klingen, als sie wirklich war.
    »Vor allem, seit vor zwei Jahren der Mord dort passiert ist.« Der Fahrer klang plötzlich freundlicher, fast schwang etwas Mitleid in seiner Stimme mit. »Wissen Sie noch?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ganz ein junges Ding. Keine achtzehn Jahre alt.« Er drückte das Gaspedal durch und rauschte bei Dunkelgelb über die Kreuzung. Wieder tauchte er in ein Gewirr von Nebenstraßen ein. Sara verlor die Orientierung und fixierte Peters Handy. Erneut signalisierte der Piepton, dass die Batterie bald leer war. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Bitte lass die Batterie halten, bis ich Michael gefunden habe.
    »Drei Monate hat sie dort gelegen, das arme Ding. Bildhübsch war die. Bevor das passiert war.« Das Taxi raste durch eine Tempo-dreißig-Zone. »Der Kerl, der sie gefunden hat …«
    »O Gott!«, schrie Sara auf. »Der Punkt bewegt sich!« Hatte Michael Valeska gefunden? Hatte er die Polizei geholt? Wurde sie schon abgeführt?
    »Wohin? Richtung Straße?«
    »Ich weiß es nicht!« Sie verfolgte den blinkenden Punkt. »Geradeaus. Immer geradeaus!«
    »Geradeaus Richtung Straße oder geradeaus Richtung Gleise?«
    »Ich weiß es nicht! Das seh ich nicht! Geradeaus!«
    Das Taxi kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. Der Fahrer riss ihr das Gerät aus der Hand und scrollte ein Stück nach unten.
    »Richtung Gleise.«
    Er sah sie ernst an. »Er läuft weiter hinein. Da ist kein Ausgang. Da ist die neue Großbaustelle. Die wurde vorgestern gesperrt, wegen Einsturzgefahr. Etwas mit dem Fundament oder so.«
    Der Punkt bewegte sich zügig weiter. Eine Sackgasse? Und am Ende eine gesperrte Baustelle? Michael würde diesen Weg nicht einschlagen. Die Polizei erst recht nicht. War Valeska alleine? Was wollte sie dort?
    »Sie sollten die Polizei alarmieren.«
    »Nein! Nein, wir sind doch gleich da. Ich mach das. Ich regle das … nicht die Polizei.«
    Er schaute sie stirnrunzelnd an.
    »Das … Dann … dann verliere ich das Sorgerecht!«
    »Na gut. Wie Sie meinen. Wenn es mein Sohn wäre …«
    Er fuhr weiter. »Ich bring Sie zur Baustelle. Wenn er noch nicht dort angekommen ist, können Sie über den Zaun klettern, das geht schneller, als wenn ich Sie zum Eingang bringe und Sie erst die ganze Siedlung durchqueren müssen. Passen Sie gut auf, wo er hingeht!«
    Sara schlug die Autotür zu und rannte den Bauzaun entlang. Der Punkt näherte sich dem Ende des Weges. Dann wurde das Display schwarz. Die Batterie war leer. Sara verstaute das Handy im Mantel und blieb stehen. Gleich müsste Valeska an der großen Hecke ankommen, die den Schrebergartenbereich begrenzte. Laut Karte konnte der Punkt nur noch wenige Meter ungehindert geradeaus laufen. Leise ging sie weiter. Blieb wieder stehen und lauschte. Es knirschte. Jetzt vernahm sie Schritte. Unregelmäßige Schritte. Kurzer Schritt.
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