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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume
Autoren: Bärbel Böcker
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1
     
    Normalerweise blickte sie nie zurück,
doch heute war das anders. Nachdem Beatrice Knoll mit Nachdruck die schwere Tür
hinter sich zugezogen hatte, so, als ob sie sich vergewissern wollte, dass sie auch
wirklich geschlossen blieb, drehte sie sich noch einmal um und hielt inne. Hinter
dieser Tür hatte sie den Großteil der letzten 15 Jahre verbracht. Hier hatte sie
Erfolge gefeiert, Kämpfe geführt, Durchhaltevermögen trainiert. Hier hatte sie gelacht
und gestritten. Sie war den Tränen nahe gewesen und hatte Wutanfälle bekämpft. Beatrice
Knoll, ihre Freunde nannten sie Bea, seufzte, dann straffte sie sich, kehrte der
Tür den Rücken und heftete ihre Augen auf das Treppenhaus. Das vertraute Rot des
Sisalteppichs, der die Stufen bekleidete, schien ihr heute blasser als sonst, und
sie bemerkte, dass ihre Beine ein wenig schwerer waren als üblich. Sie legte ihre
Hand auf das hölzerne Treppengeländer, strich kurz darüber und musste lächeln. Dies
war die Geste des Abschieds. Eine kleine Liebkosung, ein letzter Kontakt.
    Mit ihren
49 Jahren würde es nicht leicht werden, einen beruflichen Neuanfang zu starten,
aber Frank hatte es definitiv auf die Spitze getrieben. Ihr Zug bei Best Promotion war abgefahren, endgültig. Bea warf den Kopf in den Nacken. Als sie die Kündigung
eingereicht hatte, war sie unsicher gewesen, aber die Entscheidung war absolut richtig,
davon war sie überzeugt. Ihr Chef Frank Flick hatte ihr einen neuen Miteigentümer
präsentiert, und zuvor hatte er nicht ein einziges Mal gefragt, ob nicht sie die Anteile kaufen wollte.
    15 Jahre
hatte sie Werbekampagnen für Sportschuhhersteller, Autohäuser, Babybrei, Shampoos
und Rasierseife entwickelt, und sie hatte ihren Job als Kreativ- und Etatdirektorin
geliebt. Dabei hatte sie viel zu häufig ihre Tochter Johanna vernachlässigt, die
ohne Vater aufgewachsen war. Jetzt fragte sie sich, ob ihre Karriereorientiertheit
und ihre Arbeitswut wirklich dafür gestanden hatten, oder ob sie über Jahre hinweg
langsam aber sicher die wichtigsten Zeichen übersehen hatte, und ob sie sie vielleicht
gar nicht hatte sehen wollen.
    Über Beas
Gesicht glitt ein schiefes Lächeln. Vermutlich hatte Frank sie übergangen, weil
er einen Mitinhaber ins Boot holen wollte, der ihm in wichtigen Firmenangelegenheiten
nicht widersprach, seine Entscheidungen mittrug und aller Wahrscheinlichkeit nach
weniger anstrengend war als sie es jemals als Mitinhaberin sein würde.
    Bea schüttelte
den Kopf, wie um ein lästiges Insekt zu verscheuchen. Mit forschen Schritten trat
sie hinaus auf den Eifelplatz, benötigte jedoch einen Moment, um sich zu orientieren.
Wo hatte sie ihren Wagen abgestellt? Es war eigentlich sowieso ein Ding der Unmöglichkeit,
hier einen Parkplatz zu finden, aber heute Morgen hatte sie nicht mit der Bahn fahren
und fremden Menschen ihr Gesicht preisgeben wollen.
    Unter dem
Scheibenwischer ihres Autos steckte ein Strafzettel. Ohne ihn eines weiteren Blickes
zu würdigen, zerriss sie ihn und warf die Schnipsel weg. Der heutige Tag, ihr letzter
Arbeitstag, war bedeutsam genug, und sie fand, dass nichts anderes als ihr Entschluss,
der Agentur ein für allemal Adieu zu sagen, die geringste Beachtung verdiente.
    Sie schloss
ihr Cabrio auf und schwang sich hinein. Es versprach ein unerwartet schöner Tag
zu werden, die Sonne strahlte verlockend. Bea überlegte, ob sie das Verdeck öffnen
sollte, und entschied sich nach einem ersten Zögern dafür. Es war zwar noch ziemlich
frisch draußen, und je älter sie wurde, desto empfindlicher wurde sie, aber wozu
gab es Sitzheizungen und Schals? Sie packte sich warm ein, drückte auf den Knopf
und schob eine CD von Leslie Mandoki in den Player. Dann warf sie einen kritischen
Blick in den Rückspiegel und war beruhigt, ihre braunen Augen waren klar, nicht
die Spur einer verräterischen Röte. Sie fuhr sich mit der schmalgliedrigen Hand
durchs halblange dunkelbraune Haar, startete, drehte die Musik laut auf und gab
Gas.
    Es hatte
alles auch etwas Gutes. Sie war frei, endlich wieder frei. Und der Plan, der in
ihrem Kopf seit ihrer Kündigung immer mehr Gestalt angenommen hatte, war unglaublich
verlockend.

2
     
    Die Tatsache, dass sie die Anzeige
in genau jenen Tagen gelesen hatte, in denen sie sich mit dem Gedanken trug, ihren
Job bei Best Promotion zu kündigen, sprach für sich.
    Bea hatte
das Restaurant in Altenahr durch Zufall im letzten Sommer entdeckt, als sie mit
ihrer Tochter Johanna einen Ausflug an die Ahr
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