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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen
Autoren: Alice LaPlante
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konfrontiert. Sie hätte es allen erzählt.
    Ja, ich wusste, dass sie es wusste. Dass sie es herausgefunden hatte. Zu klug, meine Kleine.
    Anfangs bin ich aus den Zahlen überhaupt nicht schlau geworden. Und lange Zeit wusste ich nicht genau, was Dad getan hatte. Aber irgendwann wurde mir alles klar. Das Ausmaß der ganzen Sache. Es war ein Schock, das kann ich dir sagen. Ausgerechnet Dad!
    Das Geld gehörte uns. James hat es verdient.
    Du meinst, er hat es gestohlen, Mom.
    Ja.
    Und er hat immer weiter gestohlen. Bis Amanda ihm Einhalt geboten hat.
    Ja.
    Und du hast ihr gegenüber behauptet, du hättest es zurückgezahlt. Alles. Und dass du mit deiner Arbeit in der Sozialklinik deine Schuld der Gesellschaft gegenüber abbezahlen würdest. Aber in Wirklichkeit hast du gar nichts zurückgezahlt. Und du hast es geschafft, das vor ihr geheim zu halten.
    Es war unser Geheimnis. Das von James und mir.
    Dann ist Dad gestorben. Und du bist krank geworden. Ich habe es alles beim Durchsehen deiner Unterlagen herausgefunden. Anfangs dachte ich, dass du nichts davon wüsstest, dass es allein Dads Ding gewesen war. Aber dann wurde mir klar, dass das nicht sein konnte. Und als du mir die Handlungsvollmacht über deine finanziellen Angelegenheiten übertragen hast, hat Amanda angefangen, mir Fragen zu stellen. Hat immer weiter gebohrt. Irgendwie hatte sie rausgefunden, dass es Geld gab. Zu viel Geld. Dass du sie für dumm verkauft hattest. Dass das Geld mich korrumpiert hatte. Genauso wie dich. Das konnte sie nicht ertragen.
    James hatte recht, als er sich um Fiona Sorgen machte. Es war zu viel für sie.
    Und dann hat sie angefangen, dir zuzusetzen. Hat überhaupt nicht mehr aufgehört. Obwohl du so krank warst. An dem Nachmittag hattet ihr euch gestritten. Magdalena hat es mir erzählt. Du warst schrecklich aufgebracht. Sie musste dich zur Notaufnahme ins Krankenhaus bringen. Dort mussten sie dir eine Beruhigungsspritze geben. Magdalena hat mich angerufen. Sie war schrecklich wüten d. Diese Frau ist zu weit gegangen, sagte sie. Ich konnte erst sehr spät kommen – ich hatte eine Besprechung, von der ich nicht weg konnte. Deswegen bin ich erst gegen zehn zu dir gefahren. Ich habe vor unserem Haus geparkt und bin zu Amanda gegangen. Ich sehe heute noch ihren Gesichtsausdruck, als sie die Tür aufgemacht hat. Triumphierend. Keine Reue. Sie hatte dich ausgequetscht und erfahren, was sie wissen musste. Und dann hat sie sich mich vorgeknöpft. Sie hat schreckliche Dinge gesagt. Über dich, über Dad, vor allem über mich.
    Amanda hat zu mir gesagt: Ich habe der Sache damals ein Ende gesetzt, und ich werde nicht zulassen, dass du damit weitermachst. Jetzt, wo dein Vater tot ist und deine Mutter den Verstand verliert, kannst du die Verbrechen deiner Eltern aufdecken und alles wiedergutmachen. Dich zu einem anständigen Mitglied der Gesellschaft mausern.
    Die Person ist voll in ihre Geschichte eingetaucht und zuckt zusammen, als sie angesprochen wird.
    Du musst Fiona im Auge behalten, hat James schon zu mir gesagt, als sie noch klein war. Noch nicht mal zehn. Weißt du, was ihn am meisten beunruhigt hat?
    Was denn?
    Dass sie sich die ganze Zeit so rührend um ihren Bruder gekümmert hat. Selbstlos bis zur Selbstaufgabe. Sie ist in Gefahr, hat er zu mir gesagt. Du musst gut auf sie aufpassen.
    Amanda wollte mich anzeigen, Mom. Das wäre das Ende gewesen für unsere Familie, für das Wenige, was noch davon übrig ist. Und sie hat mir alles Mögliche erzählt. Über Dad, über dich. Hässliche Dinge. Sie hat sich von ihrer übelsten Seite gezeigt, auf ihre hochmütige Weise moralisierend. Sie würde mich nach ihrem Vorbild neu erschaffen, sagte sie. Rechtschaffen. Ich war fix und fertig, stinkwütend. Ich hab sie zur Seite geschoben und bin ins Haus gegangen. Ich hatte keinen Plan. Aber dann hab ich sie an den Schultern gepackt und geschüttelt – dabei war sie viel größer als ich. Sie hat mich ausgelacht – wegen meiner Unfähigkeit, meiner … meiner Schwäche. Und da hab ich sie geschubst. Sie ist nach hinten gefallen und mit dem Kopf auf der Kante des Eichentischs aufgeschlagen, der in ihrer Diele stand. Plötzlich war alles voller Blut! Es war, als würde die Erde stillstehen. Ich hab mich hingekniet und versucht, ihr Herz zu spüren – nichts. Da bin ich in Panik geraten. Ich war über und über mit Blut
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