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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen
Autoren: Alice LaPlante
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beschmiert und habe vor Entsetzen am ganzen Leib gezittert. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich bin geflüchtet – hab mich ins Auto gesetzt und bin nach Hause gefahren. Ein Wunder, dass die Polizei mich nicht angehalten hat, so schnell, wie ich gefahren bin. Ich war schon hinter der Armitage Avenue, als ich gemerkt hab, dass ich mein Christophorus-Medaillon nicht hatte. Dein Medaillon. Es befand sich in Amandas Hand, als ich zurückkam, aber da hatte die Totenstarre bereits eingesetzt. Ich saß schon eine ganze Weile da, als du uns gefunden hast. Ich war vollkommen verzweifelt.
    Alle meine Lieben sind von mir gegangen. Nur das Mädchen ist mir geblieben.
    Ich habe erst gemerkt, dass du da warst, als du dich neben mich gekniet hast. Du hast mich in den Arm genommen und einen Moment gehalten. Dann hast du mich auf die Füße gezogen, weg von der Toten.
    Was für ein Pfusch. Grausig.
    Ich bin total durchgedreht.
    Was für eine grauenvolle Szene. Da auf dem Boden. Alles voller Blut. Aber das Allerschlimmste– ihr Gesichtsausdruck. Entsetzen, ja, doch auch noch etwas anderes. Genugtuung.
    Tja, den Rest kennst du ja, und du weißt, mit welcher Panik ich mich daran gemacht habe, alle Beweise zu entfernen.
    Ein quälendes Bild. Es kommt immer wieder. Aber ist es wahr?
    Die Person bedeckt ihr Gesicht.
    Die beiden Menschen, die sie von allen auf der Welt am innigsten liebt. Und nicht der Tod ist das Schlimme, sondern der Blick in den Augen ihres Lieblings. Die dunkle Freude. Unerträglich.
    Du hast keinen Augenblick gezögert. Hast dich einfach an die Arbeit gemacht. Keine Vorwürfe, keine Fragen. Du hast mich beschützt. Du hast mich gerettet. Die Person schweigt einen Moment. Man könnte fast sagen, dass wir mitten in dem Horror schöne Momente hatten. Die Person streckt eine Hand aus.
    Mom? Was ist los?
    Nein. So weit gehe ich nicht. So geistesgestört bin ich nicht.
    Die Person bricht wieder in Tränen aus. Mom? Was sagst du da?
    Da fängt sie an zu denken. Manchmal kann sie immer noch denken. Sie kennt diese Person. Sie weiß, wessen diese Person alles fähig ist. Jetzt weiß sie es. So endet es. So fühlt es sich also an, wenn man über den Schmerz hinausgeht. Man kann darüber hinausgehen.
    Mom, bitte.
    So endet es also.
    Mom. So hatte ich mir das alles wirklich nicht vorgestellt.
    Jeder Tag vergeht langsamer als der vorherige. Jeden Tag verschwinden mehr Wörter. Nur die Bilder bleiben. Der Spielplatz. Das weiße Kommunionkleid. Ballspiele auf der Straße. James, der das Toastbrot verbrennt. Die Kinder. Das eine, das zu lieben sie lernen musste. Das andere, von dem sie glaubte, sie würde es unter keinen Umständen lieben können.
    Und dieses Zweite ist das Einzige, das jetzt noch wichtig ist.
    Die dicke Frau in Blau ist wieder da, sie klappert mit den Schlüsseln. Die Besuchszeit ist beendet.
    Ja, ich muss sowieso los. Die Person wischt sich die Augen. Sie steht auf. Mom, morgen kann ich leider nicht kommen. Morgen habe ich Unterricht. Aber am Donnerstag komme ich wieder. Dann sehen wir uns.
    Am Ende zählen nur noch die Bilder. Es ist niemand mehr da, der die Alben hochhält, der fragt, ob sie sich erinnert. Aber das spielt auch keine Rolle. Sie braucht die Fotos nicht mehr. Sie kommen jetzt direkt zu ihr. Ihre Mutter, ihr Vater. Sie erzählen ihr Geschichten, machen Witze. James will erst nicht so richtig, lässt sich dann aber doch darauf ein. Und Amanda. Amanda ist auch da, lebendig und stark. Sie ist wütend. Wer wäre das nicht? Aber wenn ihre Wut erst einmal verraucht ist, wird etwas anderes da sein.
    Schwester, sie tut es schon wieder.
    Es gibt einen angenehmen Ort hier. Es ist möglich, ihn zu finden. Dort sind lauter liebe Freunde. Sogar die stillen. Und dann die, die wiederauferstanden sind. Von Gott geschickt.
    Schwester, sorgen Sie dafür, dass sie still ist!
    Akzeptieren, was du getan hast. Die Bilder hinnehmen. In ihrer Gesellschaft warten, bis es vorbei ist. Am Ende ist das genug.

Danksagung
    Mein Dank gilt meinen Freundinnen, die die ersten Entwürfe zu diesem Buch kommentiert haben, vor allem Marilyn Lewis, Jill Simonsen, Mary Petrosky, Carol Czyzewski, Christie Cochrell, Diane Cassidy, Marilyn Waite, Judy Weiler, Connie Guidotti und Florence Schorow. Ich war hocherfreut, mit Elisabeth Schmitz, der legendären Lektorin von Grov e / Atlantic, zusammenarbeiten zu dürfen; ohne ihr Verständnis und ihre
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