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Der heimliche Rebell

Der heimliche Rebell

Titel: Der heimliche Rebell
Autoren: Philip K. Dick
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1
     
    Um sieben Uhr in der Frühe verlor Allen Purcell, der junge, dynamische Präsident der neuesten und kreativsten unter den derzeit am Markt vertretenen Forschungsagenturen, ein Schlafzimmer. Aber dafür erhielt er eine Küche. Der Vorgang lief automatisch ab, gesteuert von einem in die Wand eingelassenen Band mit Eisenoxidbeschichtung. Allen hatte keinen Einfluß darauf, aber die Umgestaltung kam ihm zupaß; er war ohnehin schon wach und bereit aufzustehen.
    Plötzlich auf die Füße gestellt, tastete er blinzelnd und gähnend nach dem Auslöseknopf für den Herd. Wie gewöhnlich blieb der Herd halb in der Wand und halb draußen im Zimmer stecken. Aber das ließ sich ganz einfach mit einem kräftigen Stoß beheben. Also stieß Allen, und mit einem asthmatischen Schnaufen kam der Herd ganz zum Vorschein.
    Hier, in seiner Domäne, dem Einraumapartment, von dem aus man sogar in der Ferne den Turm der Heiligen MoRes erkennen konnte, war Allen König. Das Apartment war schwer erkämpft. Allens Familie hatte es ihm als sein Erbteil vermacht; der Mietkontrakt wurde nun schon seit über vierzig Jahren erfolgreich verteidigt. Die dünnen Wände aus Fasergipsplatten kastelten einen unschätzbaren Wert ein; Geld bedeutete nichts gegen diesen leeren Raum.
    Der Herd, der sich nun voll entfaltete, wurde nacheinander auch zu Spülstein und Tisch und Vorratsschrank. Von der Unterkante des Tisches hingen zwei Stühle, und in einem Fach unterhalb der Vorräte stand das Geschirr. Ein Großteil des Zimmers war nun ausgefüllt, aber es blieb noch genügend Platz, um sich anzuziehen.
    Seine Frau Janet war inzwischen mit einiger Mühe in ihr Höschen geschlüpft. Im Moment stand sie stirnrunzelnd mit einer Ladung Kleider auf dem Arm da und ließ ihre Blicke verwirrt durch den Raum schweifen, als suche sie etwas. Die Wärme der zentralen Heizungsanlage war bisher noch nicht bis zu ihrem Apartment vorgedrungen, und Janet fröstelte. An den kalten Herbstmorgen erwachte sie stets voller Angst; sie war zwar seit drei Jahren seine Frau, aber an die abrupten Veränderungen des Zimmers hatte sie sich nie gewöhnen können.
    „Was ist los?“ fragte er, während er seinen Schlafanzug abstreifte. Er empfand die kühle Luft eher als angenehm; mit einem tiefen Atemzug sog er sie in seine Lungen ein.
    „Ich glaub’, ich werd’ das Band umstellen. Vielleicht auf elf.“ Sie fuhr fort, sich anzuziehen, eine quälend langsame Prozedur mit vielen überflüssigen Bewegungen.
    „Die Herdtür“, sagte er und öffnete den Herd für sie. „Häng deine Sachen da drüber, wie immer.“
    Nickend gehorchte sie. Die Agentur mußte pünktlich um acht geöffnet werden, und das bedeutete, daß man früh genug aufstehen mußte, um den halbstündigen Marsch durch die verstopften Straßen zu schaffen. Sogar jetzt schon drangen gedämpft die Geräusche emsiger Geschäftigkeit von der Fußgängerebene und aus den angrenzenden Apartments herüber. In der Halle wurden schlurfende Schritte hörbar; vor dem Gemeinschaftswaschraum formierte sich die Wartereihe.
    „Geh du nur zuerst“, sagte er zu Janet, weil alles in ihm danach verlangte, daß sie endlich angezogen und für den neuen Tag bereit war. Als sie schon halb bei der Tür war, fügte er hinzu: „Vergiß dein Handtuch nicht.“
    Gehorsam kramte sie ihre persönlichen Utensilien zusammen – Kosmetikbeutel und Seife und Zahnbürste und Handtuch – und ging hinaus. Nachbarn, die sich schon in der Halle versammelt hatten, begrüßten sie.
    „Morgen, Mrs. Purcell.“
    Janets schläfrige Stimme: „Morgen, Mrs. O’Neill.“ Und dann schloß sich die Tür.
    Während seine Frau draußen war, schüttelte Allen zwei Kapseln mit Corto-Thiamin aus dem Medizinbrunnen. Janet besaß alle nur erdenklichen Sorten von Pillen und Sprays; als junges Mädchen hatte sie sich am Maltafieber infiziert, einer jener Seuchen, die durch die Versuche, natürliche Farmen auf den Kolonialplaneten zu schaffen, neuerlich aufgetreten waren. Das Corto-Thiamin war für seinen Kater. Am Abend zuvor hatte er drei Gläser Wein getrunken, und das auf leeren Magen.
    Den Hokkaido-Distrikt zu betreten, war ein kalkuliertes Risiko gewesen. Er hatte noch zu später Stunde in der Agentur gearbeitet, etwa bis zehn. Müde, aber noch ruhelos, hatte er abgeschlossen und dann ein kleines Agentur-Flugboot aus der Garage geholt, einen einsitzigen Splitter, der normalerweise nur bei Eilzustellungen für T-M eingesetzt wurde. In diesem Flugboot war er
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