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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst
Autoren: Annette Bell
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nach
diesem blöden Diering auszufragen. Das bedeutete aber nicht zuletzt, und das
war die schlimmste Konsequenz, daß es mir unmöglich sein würde, wie
versprochen, heute morgen wieder bei Kleopatra vorzusprechen. Das ging doch
nicht. Ein Freier, ein Ehrenmann, der sein Wort nicht hält, ganz abgesehen
davon, daß ich es gar nicht so lange ohne Kleopatra aushalten konnte.
    Trotz meiner begreiflichen inneren
Erregung reagierte ich äußerlich überhaupt nicht auf Anjas Worte. Hatte ich
überhaupt gehört, was sie da gesagt hatte? Ich? Nein, ich hatte kein Wort
verstanden. Diesmal hatte sie die Leine nur lose um ihre Stuhllehne
geschlungen. Ich saß darunter und fing jetzt an, ganz vorsichtig daran
herumzuzupfert, dann wartete ich erst wieder ein Weilchen, bis ich es erneut
versuchte. Den Griff der Leine fing ich mit meinem Körper ab, damit er nicht
auf den Boden klatschte und Anja aufmerksam machte.
    Ich weiß, es war nicht recht, ihr
auf so raffinierte Weise auszubüchsen und ihr Sorgen zu bereiten. Aber daran
dachte ich damals nicht. Mich zog ein unsichtbares Band an einen bestimmten
Ort. Ach was, ein Band: hundert Bänder, Stricke. Ich war einer
Kraft unterlegen, die statt meiner meinen Willen lenkte, wobei ich jedoch
ehrlicherweise gestehen muß, daß ich nur allzugerne gehorchte.
    Kurz und gut, ich schlich also
zwischen all diese diversen Latschen und Sandalen hindurch, passierte Tisch-
und Stuhlbeine en gros, wandelte über heruntergerutschte Servietten,
Brötchenkrümel und Pflaumenkerne, bis ich ganz am anderen Ende der Terrasse
angelangt war und unbehelligt entwischen konnte.
    Die Leine, die ich zwangsläufig
hinter mir herzog, störte mich entsetzlich, aber wenn ich schließlich daran dachte,
daß es nur zwei Möglichkeiten für mich gegeben hatte, war ich heilfroh, daß ich
überhaupt allein unterwegs war. Aufs äußerste beunruhigt erkannte ich
allerdings, daß es mit dem Anhängsel furchtbar schwer sein würde, die belebte
Gasse zu überqueren. Nicht eine Sekunde lang stockte der Fluß der Fußgänger, so
daß ich nicht damit rechnen konnte, unbehelligt die andere Seite zu erreichen.
Trotzdem wollte ich ein paar Minuten riskieren, wollte in einer Haustür
abwarten, ob ich nicht doch ein Loch finden würde, durch das ich mit meiner
Schnur entwischen konnte.
    Vor lauter Aufregung hatte ich nicht
einmal bemerkt, daß ich mitten in der Tür zu einem Fleischerladen hockte. Das
wurde mir erst klar, als mich etwas hart am Kopf traf und ich mich erschreckt
umdrehte. Aber anstatt in ärgerliche Gesichter zu blicken, die ich nach diesem
Angriff selbstverständlich erwartete, bleckten mich viele freundliche Zähne an.
Kleine, stämmige Frauen mit Einkaufskörbchen im Arm kicherten wie Schulmädchen,
stießen sich gegenseitig vor Vergnügen in die Rippen, und der Fleischer hinter
der Theke zeigte ein fleckiges Fernandel-Gebiß und rief mir mit vielen Worten,
untermalt von ebenso vielen Gesten, etwas zu, das ich diesmal aber wirklich
nicht verstand. Vielleicht wollte er mir sagen, was ich kurze Zeit später
selber feststellte, nämlich, daß das Wurfgeschoß keine böse Absicht, sondern
ein herrlicher fleischiger Knochen war.
    Der paßte mir wunderbar in meine
Pläne. Plötzlich hatte ich keine Lust mehr, auf eine Lücke zu warten, die
vielleicht doch nie entstehen würde. Ich nahm mir auch keine Zeit, dem Metzger
für das Geschenk zu danken, ich stürzte mich einfach darauf und dann hinein ins
Menschengewimmel und kam auch, wie durch ein Wunder, glücklich hindurch. Jetzt
noch bis zur Ecke, die erste rechts, die zweite links, und dann stand ich
wieder vor der löcherigen Holztür, den Kopf stolz erhoben, den Knochen im
triefenden Maul.
    Fast schien es, als hätte Kleopatra
auf mich gewartet, denn ich brauchte mich gar nicht erst bemerkbar zu machen, da
steckte sie schon ihr süßes Köpfchen zur Tür heraus, schnüffelte einmal
vorsichtig in meine Richtung und kam dann wie auf Seidenpfoten heraus.
    Ich wette meinen vergrabenen
Kalbsknochen gegen einen Stein, daß ihr Herrchen in diesem Augenblick in dem
Zimmer war, denn alles was sie tat, tat sie heimlich und leise. Ich legte den
Knochen großspurig vor ihren Beinchen ab, und sie begutachtete ihn genauso
eingehend, wie die Braut die Hochzeitsgeschenke.
    Diesmal ließ sie mich nicht so lange
betteln, sie solle einen Morgenspaziergang mit mir unternehmen. Sie schubste
mir den Knochen wieder zu, als wollte sie sagen: Da, trag du ihn, und dann
machten wir uns
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