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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst
Autoren: Annette Bell
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in einer ähnlichen Gefühlslage, solchen
Firlefanz nicht nötig haben. Aber damit noch nicht genug. Als wir endlich unten
am Strand waren, ging der Zirkus weiter. Sie legte sich nicht etwa einfach
bäuchlings auf ihr Badetuch, so wie sie es bisher immer gemacht hatte. Ach wo,
selbst dafür nahm sie sich soviel Zeit, als sortierte sie Arme und Beine
einzeln und ganz bewußt.
    War mir bis zu diesem Zeitpunkt
verborgen geblieben, ob sie sich am Ende ihrer Unterhaltung doch einig geworden
waren und der Schwarze tatsächlich die Erlaubnis bekommen hatte, hier zu
erscheinen, jetzt wußte ich es. Wenn eine Frau anfängt, sich so aufzuführen,
wie Anja es jetzt tat, dann konnte das nur eine Ursache haben: einen Mann.
    Gleichzeitig mit dieser Feststellung
begann aber für mich völlig unerwartet eine Zeit nervöser Anspannung. Wenn
dieser Mann hier auftauchte, durfte ich dann nicht hoffen, daß Kleopatra ihn
begleitete, daß auch sie ihre kleinen Schritte hierher lenkte? Oder kam er
allein? Nein, Kleopatra einsam in dieser dunklen Hütte, das war eine grausame
Vorstellung. Aber was sollte ich tun? Ich konnte nichts, als ihrer mit
derselben Ungeduld harren, wie Anja offensichtlich seiner harrte. Alles andere
würde sich finden.
    Sie kam mit! Sie kamen alle beide,
aber ich hatte nur Augen für meine kleine Geliebte, mein zärtliches süßes
Weibchen. Der Mann, den sie an der Leine mit sich führte, interessierte mich
nicht im geringsten. Wäre er ein Chinese oder ein Schwarzer gewesen, in diesem
Augenblick wäre es mir nicht einmal aufgefallen. Anja dagegen, wette ich,
schenkte Kleopatra nicht einen Blick, ihre Augen strahlten in eine ganz andere
Richtung, und so teilten wir unsere Willkommensgrüße jeweils an den aus, den
wir am sehnlichsten erwartet hatten.
    Es war herrlich. Sie ließen uns
gewähren, sie sahen kaum nach uns, pfiffen uns weder zurück noch gaben sie
weise Ermahnungen von sich, sie hatten mit sich selbst genug zu tun, wenn es
auch für einen Uneingeweihten nicht so aussah. Aber wem das Herz selbst aus den
Augen schlägt, hat ein feines Gespür für den inneren Pegelstand seines
Nächsten. Erst als wir, von lauter ausgelassenem Herumtollen müde geworden,
wieder die Nähe unserer Befehlsgeber aufsuchten, konnten wir miterleben,
wieweit sie es nun in der Zwischenzeit mit ihrer Annäherung gebracht hatten,
denn daß alles darauf hinauslief, daran hatte ich keinen Augenblick lang mehr
gezweifelt.
    Aber wahrscheinlich dauert so was
bei Menschen etwas länger, denn sie lagen brav nebeneinander, Anja auf dem
Rücken, den Kopf von beiden Händen im Nacken gestützt, er auf dem Bauch, und
sie erzählten sich was. Es war eine sehr angeregte Unterhaltung, die sie
führten, deren Sinn ich so auf Anhieb gar nicht erfaßte. Erst als ich eine
Zeitlang zugehört hatte, bemerkte ich, daß sie so etwas ähnliches wie eine
Lebensbeichte voreinander ablegten. Anja war gerade dabei, ihm begreiflich zu
machen, weshalb sie aus ihrem ersten Bühnenengagement entflohen war. Was ich
von der ganzen Geschichte begriff, war, daß der Kerl von Regisseur sie tüchtig
getreten hatte, worauf Anja auf das so heiß ersehnte allererste Engagement
verzichtete und so ihre Laufbahn als Schauspielerin jäh unterbrach. Er sei ihr
»zu nahe getreten« sagte sie, und wenn das so sei, dann würde sie lieber den
ganzen Beruf an den Nagel hängen. Der junge Mann sah sie bewundernd an.
    »Es ist schön, daß Sie das sagen,
ich meine, daß es nicht unbedingt die Bühne sein muß, auf der Sie die große
Rolle spielen wollen.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte Anja
verständnislos, aber er lächelte nur. Dann erzählte ihm Anja noch, daß Vater
und Mutter Benjamin strikt dagegen gewesen waren, daß Anja auf die
Schauspielschule ging. Sie sagte:
    »Es gibt einen bestimmten Satz, den
alle Eltern der Welt in einer bestimmten Situation parat zu haben scheinen.
Dieses verdammte: Ich hab’s dir ja gleich gesagt. Ich hasse diesen Satz, und
wenn es auch bei mir zufällig stimmt, daß sie recht behalten haben, diesen Satz
kann ich nun mal nicht hören. Außerdem ist es purer Zufall, daß es so kam.
Schließlich sind nicht alle Theaterleute so wie dieser Josuweck.«
    »Und nicht alle Elevinnen so wie
diese Anja.« Darauf lachten beide.
    So ging es hin und her. Einmal
packte sie ,aus, einmal er. Es hatte fast den Anschein, als hätten beide schon
lange darauf gewartet, sich endlich einmal allen Kummer von der Seele zu reden.
Zwischendurch neckten sie sich, griemelten
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