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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst
Autoren: Annette Bell
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schmalbrüstigen Häusern
herrschte der Geruch von schmutzigen Kinderwindeln vor.
    Es war eine ganz ganz andere Welt.

Amore mio
     
    Und
ausgerechnet hier, in einer dieser verlassenen, stinkenden engen Straßen
erlebte ich die größte Überraschung meines Lebens; hier begegnete ich Kleopatra.
    Schlendernd wie ein Wanderbursch,
der viel Zeit hat, strich ich ahnungslos an den Hauswänden entlang, als ich
plötzlich ein leises Scharren hörte. Neugierig wie ich war, legte ich einen
Schritt zu, um zu sehen, was es da wohl zu scharren gab. Es kam aus einem Raum,
der hinter einer löcherigen Holztür lag. Sie stand ein wenig offen, und als ich
daran vorbeistrich, quietschte sie in den Angeln. Sofort hörte das Scharren
auf, und ich hörte nur noch ein drohendes Brummen, das mir allerdings nicht sehr
viel Furcht einflößte. Es war ziemlich dunkel in dem Raum, denn die
Fensterläden waren außen vorgeklappt. Ein Hund, stellte meine aufmerksame Nase
sofort fest. Aber was für ein Hund, groß, klein, frech oder liebenswürdig? Ich
machte vorsichtshalber einmal kurz: wuff. Und dann — dann kam sie!
    Langsam schwänzelte sich ein
Hundemädchen an mich heran, wie ich es schöner nie gesehen, aufreizender noch
nie gerochen hatte. Mit Absicht war ich wieder ein paar Meter ins Helle
zurückgetreten, damit sie mir nachkäme und ich sie besser betrachten könnte.
Als ich sie so sah, von der Sonne beschienen, geriet mein Herz in Aufruhr, aber
mein Verstand riet mir, nur jetzt nichts zu überstürzen, sie nicht zu
verängstigen oder gar zu verscheuchen. Würdevoll wie ein dressierter Lippizanerhengst
tänzelte ich wieder ein Stückchen näher auf sie zu, sah ihr tief in die
schwarzen Augen. Sie drehte den Kopf zur Seite, ich immer um sie herum,
taktvoll eine direkte Annäherung vermeidend. Sie blieb steif stehen. Ob sie
wohl darauf wartete, daß ich ’ranging? Ein Versuch konnte ja nichts schaden.
Also schickte ich meine Nase als Vorhut aus, doch kaum war ich bis auf wenige
Zentimeter an die ihre herangekommen, brummte sie mich wieder drohend an.
    Da sollte man nun schlau werden aus
diesen Weibchen, immer dasselbe mit diesen koketten Geschöpfen. Aber schön war
sie! Im Gegensatz zu dem meinen hatte sie ein helles rehbraunes Fell ohne den
geringsten Schimmer von Schwarz darin. Ihr Körper war schlank, sie hatte einen
rassigen, schön geformten Kopf und einen edlen fülligen Schwanzwedel. Verzückt
betrachtete ich ihre herrlich krummen Beine.
    Ich hatte mein Herz an sie verloren,
sofort und unabänderlich. Die oder keine. Das war Liebe auf den ersten Blick.
War das ein Dackelmädchen, so schön und so anständig!
    Ich nehme an, sie hatte aus purer
Langeweile dort im Zimmer herumgescharrt, denn sie war weder angebunden noch
war die Tür verschlossen. Ob sie mich wohl ein Stückchen begleiten wollte? Ich
versuchte alles, um sie dazu zu bewegen. Ich rannte hinaus auf das Pflaster,
suchte verzweifelt nach einem Geschenk für sie, fand einen kleinen Ast und
brachte ihn ihr dar. Ich sagte noch einmal wuff, weil sie doch daraufhin
herausgekommen war. Nein, sie schnupperte nur einmal kurz an meiner Morgengabe,
setzte sich aber dann ganz einfach hin und blieb sitzen, auch als ich sie noch
zwei- bis dreimal anwuffte, es half nichts. Vielleicht hätte ich doch noch
Erfolg gehabt, wäre ich nicht jäh in meinen Annäherungsversuchen gestört
worden.
     
    Plötzlich
fiel Licht in den dunklen Raum. Eine Tür hatte sich geöffnet und ein junger
Mann mit langen Beinen und landesüblichem schwarzgelocktem Haar trat daraus
hervor, sah sich suchend um, stürzte auf uns zu und pflanzte sich dann drohend
vor uns auf.
    »Kleopatra, du wirst doch nicht
etwa? Ich werd’ dir helfen, hier eine Liebschaft anzufangen«, rief er. Mich
jagte er mit einer einzigen energischen Handbewegung von der Schwelle.
    »Und du, mach nur ja, daß du
verschwindest und laß dich nicht noch einmal hier blicken!« rief er mir nach.
Ich war zwar etwas zurückgetreten, hatte mich aber keineswegs ganz und gar
entfernt. Der Mann ging wieder ins Zimmer und rief von drinnen:
    »Kleopatra, komm sofort hierher.
Komm weg von der Tür, hörst du nicht.«
    Aber Kleopatra (ach, welch ein
Name!) blieb sitzen, wo sie saß, sah mich mit ihren wunderbaren traurigen Augen
unverwandt an und tat, als hätte sie kein Wort verstanden. War das ein
Weibchen, Donnerwetter noch mal, hatte die Charakter. Wir würden herrlich
zusammenpassen, wir zwei. Morgen würde ich wieder hier aufkreuzen!
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