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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst
Autoren: Annette Bell
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wollte ich endlich wieder
einmal auf eigene Faust die Welt um mich herum erkunden, wie ich es schon so
oft getan hatte, nur mit dem Unterschied, daß ich fest entschlossen war, zu
Anja und unserem Hotel zurückzukehren.
    Ich stieß auf eine schmale Gasse,
aus der es in tausend und mehr Variationen duftete. Fleischgeruch vermengte sich
mit dem süßen Backwerks. Es roch nach Fisch, nach Leder, nach Stoffen, nach den
Ausdünstungen eines Friseurladens und nach Blumen. Hier war alles bunt und
aufregend. Über mir zwitscherten Vögelchen in entsetzlich kleinen Käfigen, an
mir vorüber schlurften Männer mit stinkenden Hosen, flanierten Mädchen auf
klappernden Absätzen, liefen Rinder in zierlichen wippenden Röckchen, schön wie
Puppen. Vor Geschäften und an den Ecken standen die Menschen in kleinen
Grüppchen zusammen und palawerten. Voller Staunen sah ich mir aus einer
ziemlich sicheren Haustür das ganze bunte Treiben an.
    Was waren das für Menschen? Die
meisten hatten schwarze Haare, oft sogar lockige. Sie waren lebhaft und laut,
vor allem laut. Wenn sie miteinander sprachen, hörte es sich an, als beschnattere
eine ganze Herde Wildgänse den nächsten Abflugtermin. Nicht ein Wort konnte ich
verstehen, mir fiel nur auf, daß sie beim Reden die R’s so gekonnt und rollend
über die Zunge kullern ließen als wären es Murmeln.
    Komisch fand ich es, daß sie nicht
nur mit dem Mund redeten, nein, wenn sie etwas Wichtiges zu sagen hatten, und
das hatten sie ununterbrochen, dann taten sie es mit ihrem ganzen Körper. Der
Kopf zuckte mit, die Fußspitzen wippten und erst ihre Hände! Eigentlich
brauchten sie gar keine Sprache, nach meinen Beobachtungen waren sie allein mit
ihren Händen imstande, alles auszudrücken, was sie wollten. Mit einem Wort
gesagt, es war ein Vergnügen, ihnen zuzusehen.
    Unterwegs begegneten mir
verschiedene heruntergekommene Artgenossen, die gar keinen guten Eindruck auf
mich machten. Sie waren mager und strubbelig und beäugten mit neidischen Augen
mein glänzendes Fell. Leider merkte ich zu spät, daß diese schwarzhaarigen
Landesherren und — damen anscheinend nicht sehr tierliebend sind. Dies wurde
mir jedoch erst klar, nachdem es mir das dritte Mal passiert war, daß ein
temperamentvoller Fuß meinem Hinterteil näher kam, als er vermutlich sollte (so
will ich jedenfalls hoffen). Sie sind halt so furchtbar temperamentvoll diese
Italiener.
    Dabei wollte ich weder betteln noch
einfach so herumlungern. Ich betrachtete mich auch als Tourist in diesem Lande
und hatte nichts als den Wunsch, zu sehen, was Land und Leute zu bieten hatten.
Wenn ich bei dieser Gelegenheit auch noch zufällig auf den gesuchten Dokumentenräuber
stoßen sollte, konnte es mir auch recht sein.
    Vorerst hatte ich aber bei meinem
Ausflug genug damit zu tun, aufzupassen, daß ich denen, die die schmale Gasse
bevölkerten, nicht dauernd zwischen die Füße geriet. Das Gäßchen war nämlich so
schmal, daß höchstens drei Menschen und ein Hund nebeneinandergehen konnten.
Oft hatten aber mehr den gleichen Weg und es auch noch eilig, so daß es
verflixt schwierig war, unbeschädigt unten durchzuflutschen.
    Ein bestimmtes Ziel hatte ich nicht,
deshalb nahm ich mir vor, bei der nächsten Quergasse einmal abzubiegen und so
in die tieferen Schichten der Ortschaft vorzudringen. Dazu bot sich schon bald
Gelegenheit, und da mich niemand bemerkte, niemand behelligte, bog ich bald
erneut ab und noch einmal.
    Hier ein Stückchen weg vom
verwirrenden Getriebe der Hauptgasse war es fast menschenleer und ruhig. Wenn
sich nicht gerade über meinem Haupte eine keifende Frauenstimme aus einem der
vielen verborgenen Zimmer erhob, dann hätte man die Stimmung fast als friedlich
bezeichnen können. Niemand hätte diese Häuser als schön, oder gar komfortabel
bezeichnen können, aber was sie so reizvoll machte war, daß alle so ganz anders
aussahen, als die Häuser, die ich kannte. Sie standen nicht etwa in einer
Reihe, sondern die Mauern sprangen einmal vor, dann traten sie wieder zurück.
Der Boden davor war mit holprigen, buckligen Pflastersteinen bedeckt. Hier gab
es mehr als ausreichend Gelegenheit, sich zu verstecken, wenn es einer nötig
haben sollte. Über mir bewegten sich grellweiße Wäschestücke im trägen Wind,
die man an Leinen geklammert hatte, die quer über die Straße von einem Haus zum
anderen gespannt waren. Hier roch es auch nicht nach Backwerk, nicht nach Fisch
oder sonstigen schönen Dingen. Hier zwischen diesen
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