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Scheibenwelt 01 - Das Meer und kleine Fische

Scheibenwelt 01 - Das Meer und kleine Fische

Titel: Scheibenwelt 01 - Das Meer und kleine Fische
Autoren: Terry Pratchett
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Das Meer und kleine Fische
       
    Der ganze Ärger begann, und das nicht zum erstenmal, mit einem Apfel.
    Ein ganzer Sack davon lag auf dem ausgebleichten und fleckenlosen Tisch von Esme Wetterwachs. Rot und rund, glänzend und fruchtig wenn sie die Zukunft gekannt hätten, hätten sie ticken müssen wie Bomben.
    »Behalt sie alle, der alte Hopcroft hat gesagt, ich kann so viele haben, wie ich will«, sagte Nanny Ogg. Sie warf ihrer Hexenschwester einen scheelen Blick zu. »Köstlich, ein wenig runzlig, aber verdammt haltbar.«
    »Er hat einen Apfel nach dir benannt?« fragte Oma. Jedes Wort war ein saurer Tropfen in der Luft.
    »Wegen meinen rosigen Wangen«, sagte Nanny Ogg. »Und ich hab sein Bein geheilt, als er letztes Jahr von der Leiter gefallen ist. Und ich hab ihm eine Tinktur für seinen Kahlkopf gebraut.«
    »Aber die hat nicht geholfen«, sagte Oma. »Diese Perücke, die er trägt, die ist scheußlich anzusehen bei einem Mann, der noch lebt.«
    »Aber es hat ihn gefreut, dass ich mich dafür interessiert habe.«
    Oma Wetterwachs ließ den Sack nicht aus den Augen. Obst und Gemüse wuchsen fabelhaft bei den heißen Sommern und kalten Wintern in den Bergen. Percy Hopcroft war der beste Züchter und definitiv ein leidenschaftlicher Mann, wenn es um sexuelle Eskapaden mit einem Kamelhaarpinsel im Gartenbau ging.
    »Er verkauft seine Apfelbäume überall«, fuhr Nanny Ogg fort. »Komisch, was, wenn man sich vorstellt, dass ziemlich bald Tausende Leute Nanny Ogg vernaschen können.«
    »Weitere Tausende«, sagte Oma spitz. Nannys wilde Jugend war ein offenes Buch, wenn auch nur mit einem unscheinbaren Einband erhältlich.
    »Danke, Esme.« Nanny Ogg sah einen Moment sehnsüchtig drein und öffnete dann den Mund in spöttischer Besorgnis. »Oh, du bist doch nicht etwa eifersüchtig, Esme, oder? Du missgönnst mir meinen kurzen Augenblick im Sonnenschein nicht?«
    »Ich? Eifersüchtig? Warum sollte ich eifersüchtig sein. Es ist nur ein Apfel. Nicht, dass es etwas Wichtiges wäre.«
    »Das dachte ich mir auch. Nur ein bisschen Firlefanz, um einer alten Dame zu schmeicheln«, sagte Nanny. »Und wie steht es so bei dir?«
    »Prima. Prima.«
    »Hast du dein Winterholz schon beisammen?«
    »Größtenteils.«
    »Gut«, sagte Nanny. »Gut.«
    Sie saßen schweigend beieinander. An der Fensterscheibe flatterte tanzend ein Schmetterling, den die für die Jahreszeit ungewöhnliche Wärme geweckt hatte, um hinaus in die Septembersonne zu gelangen.
    »Deine Kartoffeln... hast du sie schon geerntet?« fragte Nanny.
    »Ja.«
    »Wir hatten dieses Jahr eine gute Ernte.«
    »Gut.«
    »Hast du deine Bohnen schon eingesalzen?«
    »Ja.«
    »Ich gehe davon aus, du freust dich schon auf den Wettstreit nächste Woche?«
    »Ja.«
    »Ich nehme an, du hast geübt?« »Nein.«
    Nanny hatte den Eindruck, als würden die Schatten in den Ecken des Zimmers trotz der Sonne dunkler werden. Die Luft selbst wurde dunkler. Die Hütte einer Hexe ist empfänglich für die Stimmung ihrer Besitzerin. Aber sie ließ sich nicht beirren. Narren stürmen drauflos, aber im Vergleich mit kleinen alten Damen, die nichts mehr zu fürchten haben, sind sie lahme Enten.
    »Kommst du am Sonntag zum Essen?«
    »Was kochst du?«
    »Schweinefleisch.«
    »Mit Apfelsoße?«
    »Ja... «
    »Nein«, sagte Oma.
    Ein Quietschen ertönte hinter Nanny. Die Tür war aufgeschwungen.
    Jemand, der keine Hexe war, hätte nach einer logischen Erklärung gesucht, hätte gesagt, dass es natürlich nur der Wind war. Und Nanny Ogg war durchaus bereit, diesem Beispiel zu folgen, aber sie hätte hinzugefügt: Warum war es nur der Wind, und wie hatte es der Wind geschafft, den kleinen Riegel zu öffnen? »Oh, nun ja, ich kann nicht den ganzen Tag hier sitzen und plaudern«, sagte sie und stand rasch auf. »Um diese Jahreszeit ist immer viel los, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Dann geh ich mal.«
    »Wiedersehen.«
    Der Wind blies die Tür wieder zu, als Nanny den Weg hinunter lief.
    Sie hatte den Eindruck, dass sie möglicherweise ein wenig zu weit gegangen war. Aber nur ein wenig.
    Das Problem daran, eine Hexe zu sein - zumindest das Problem daran, eine Hexe zu sein, soweit es manche Leute betraf -, war einfach, dass man hier auf dem Land festsaß. Aber Nanny machte das nichts aus.
    Hier draußen gab es alles, was sie wollte. Alles, was sie immer gewollt hatte, war hier, allerdings waren ihr in ihrer Jugend manchmal die Männer knapp geworden. Es war ganz schön, fremde Gegenden zu besuchen,
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