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Die Wächter Edens

Die Wächter Edens

Titel: Die Wächter Edens
Autoren: Stephan Bellem
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Prolog
    D as Echo der Schritte drang immer lauter an sein Ohr. Schwere Stiefel, die hart auf dem polierten Marmor aufsetzten. Er schnüffelte unbewusst wie eine Maus umher und der beißende Gestank seines Verfolgers stach in seiner Nase.
    Sinnlos! Sinnlos, sinnlos, sinnlos! , dachte er unentwegt, als er sich verzweifelt nach einem Fluchtweg umsah. Die kleine Halle der U-Bahn-Station war verlassen. Blaues Neonlicht tauchte die Marmorplatten in einen leichten Schimmer und ließ seine Haut grau und kränklich wirken. Gegenüber lachte ihn ein Werbeplakat an, auf dem eine junge Frau sich neben einer weißen Preisangabe in Dessous auf einer roten Seidenmatratze räkelte. Er kauerte sich in der Mitte des Bahnsteigs hinter eine Säule und hoffte, dass der Schrecken ihn nicht fand.
    Dabei ahnte er sehr wohl, dass er seinem Verfolger nicht würde entkommen können. Die Halle hatte nur einen Ausgang. Klack – klack!
    Die Schritte klangen noch ein wenig lauter. Er spürte, wie ihm der Schweiß über die Stirn rann und sein Atem kurz aussetzte. Wenn er nur einen der beiden U-Bahn-Schächte erreichen könnte, dann könnte er sich vielleicht in der Dunkelheit davonmachen.
    Was will er bloß von mir? , dachte er verzweifelt.
    Mit jedem Schritt, um den sich sein Verfolger näherte, begannen die Leuchtröhren mehr und mehr zu flackern. Als würde die bloße Anwesenheit des Mannes den Strom am Fließen hindern.
    »Ich weiß, dass du hier bist«, ertönte eine sonore Stimme.
    Er konnte die Gänsehaut nicht unterdrücken. Zu schön und grausam zugleich war ihr Klang. Ein Teil von ihm wollte dieser Stimme bis in alle Ewigkeit lauschen. Ein anderer wand sich vor Schmerz und ließ seinen Magen rebellieren.
    »Du kannst dich nicht verstecken.«
    Die Endgültigkeit dieser Aussage ließ ihn erstarren.
    Der Gestank der Heiligkeit betäubte beinah alle seine Sinne.
    Eine Neonröhre zerbarst mit lautem Knall. Krümelige Scherben regneten auf den Marmorboden herab.
    In das Klackern der Absätze mischte sich ein gequältes Knirschen, als die schweren Stiefel die Glasscherben unter den Sohlen zermalmten.
    Immer mehr Lampen explodierten, als der Verfolger näher kam.
    Noch eine, und der Bahnsteig ist vollkommen finster! , schöpfte er neue Hoffnung.
    Die letzte Leuchtröhre zerbarst in einem goldenen Funkenregen und er packte die Gelegenheit beim Schopf. Er sprang hinter der Säule hervor und rannte zum linken Gleis, darauf vertrauend, dass die Dunkelheit ihn schützen würde.
    Fünf Schritte, schätzte er, dann hätte er den Rand des Bahnsteigs erreicht.
    Er machte nur den ersten.
    Den kleinen Vorsprung am Fuß der Säule hatte er in der Dunkelheit nicht bemerkt; er war mit dem linken Fuß hängen geblieben und ins Straucheln geraten. Er versuchte den Sturz noch zu verhindern, fiel jedoch der Länge nach hin und schlug sich mit lautem Krachen die Schneidezähne aus.
    Weiter! , pochte der Gedanke schmerzhaft in seinem Kopf. Nicht liegen bleiben!
    Er robbte über die Fliesen und ignorierte das warme Blut, das ihm aus dem Mund und übers Kinn lief.
    Der Schlag ins Kreuz presste ihm die Luft aus den Lungen. Sein Verfolger hatte ihn schließlich eingeholt und ihm das Knie in den Rücken gerammt.
    »Du kannst mir nicht entkommen«, erklang die schrecklich schöne Stimme. Das warme Timbre beruhigte ihn, was ihn zugleich in einem anderen Winkel seines Hirns noch mehr verängstigte.
    »W… Was wollen Sie von mir?«, fragte er mit zitternder Stimme.
    Eine Hand packte ihn an der Schulter und riss ihn kraftvoll herum, bis er wie ein Käfer auf dem Rücken lag und seinem Jäger ins Gesicht blicken konnte. Die U-Bahn-Station war in komplette Finsternis gehüllt, dennoch erschien die Gestalt seines Verfolgers deutlich vor ihm.
    Blondes, fast goldenes Haar umrahmte das ebenmäßige Antlitz und bildete einen sanften Kontrast zur fast weißen Haut.
    »Du wurdest ausgewählt«, sagte der blonde Mann leise, beinah mitfühlend.
    »Bitte …«, stammelte er. »Ich habe doch niemandem etwas getan!«
    »Noch nicht«, entgegnete der Jäger traurig. »Aber das wirst du schon bald, wenn ich dich nicht aufhalte.« Mit der Linken zog er eine kleine Flasche aus der Innentasche seines langen Mantels, der sich wie ein Flügelpaar über ihnen ausgebreitet hatte, während er ihn mit der Rechten mühelos am Boden festhielt. Er entkorkte das Fläschchen und benetzte geschickt den Zeigefinger mit einer klaren Flüssigkeit. Dann drückte er ihm den Finger auf die Stirn undzog eine
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