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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst
Autoren: Annette Bell
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diesen wenigen Sekunden. Sie war es, sie war es wirklich. Sie
hatte mich gesucht, hatte sich Gedanken gemacht, sie war herumgelaufen und
hatte sich bis hierher durchgefragt, und anstatt nach diesem Diering zu
fahnden, hatte sie meine Spur verfolgt. O arme Anja, was hatte ich ihr angetan.
Wie mochte sie gelitten haben, während ich...
    »Da wird wohl der Schuftel auch
nicht weit sein«, hörte ich den Mann sagen, und schon stand Anja vor meiner
völlig deprimierten, alles Schuldbewußtsein dieser Welt ausdrückenden Gestalt.
    »Da ist er ja«, sagte sie gerührt,
hockte sich zu mir und nahm mich liebevoll in den Arm.
    »Sie mögen ihn wohl sehr?« bemerkte
der Langbeinige, der jetzt auch herausgetreten war.
    »Mögen Sie Kleopatra nicht?« fragte
Anja zurück und stellte ihren Kopf schief, um zu ihm hinaufzublicken.
    »Ja«, sagte er, »aber nicht
ausschließlich.« Damit nahm auch er Kleopatra hoch und hielt sie dicht an mich
heran. Jetzt waren wir uns alle vier so nahe, als wäre die Liebe zwischen uns
wie eine Epidemie ausgebrochen.
    »Na, die gefällt dir wohl, du hast
keinen schlechten Geschmack«, sagte der Mann, und Anja antwortete, indem sie
Kleopatra über den zierlichen Kopf strich:
    »Sie ist ja auch ein reizendes
Tierchen.« Ich war überglücklich, daß Anja meine Wahl billigte, daß sie mir
zustimmte und Kleopatra genauso reizend fand wie ich. Dann allerdings, machte
Anja dem neckischen Spielchen ein Ende und sagte:
    »Jetzt muß ich aber wieder, die
Warterei hat mich schon viel zu lange aufgehalten.« Der Mann ließ Kleopatra los
und stellte sich neben Anja.
    »Sie meinen, das waren verlorene
Stunden, wenn ich Sie recht verstehe?«
    »Aber nein, doch nicht so. Ich
meinte es ganz anders, aber das müßte ich Ihnen erst erklären.«
    »Und warum tun Sie’s nicht, zum
Beispiel heute nachmittag? Der Tag ist lang, die Sonne scheint noch ein paar
Stunden und das Meer hat auch noch Wasser genug für uns zwei.«
    »Und Ihre Arbeit?« erkundigte sich
Anja.
    »Antonio ist sowieso nicht da heute,
und allein habe ich keine richtige Lust. Also abgemacht, bei Ihnen am Hotel?«
    Anja ließ mich hinunter und lächelte
den Mann kopfschüttelnd an:
    »Sie sind genauso hartnäckig wie
Schuftel. Wenn der einmal was will, dann läßt er nicht locker.«
    »Das ist ein Zeichen von Rasse«,
grinste Kleopatras Herrchen und hob beide Schultern, als wollte er sagen: Das
ist nun mal so, daran kann ich auch nichts ändern. Während die beiden noch ein
Weilchen so taten, als könnten sie sich partout nicht einig werden, folgte ich
Kleopatras Spuren und nutzte die wenigen Minuten, die mir noch blieben, mich gebührend
zu verabschieden.
    Auf dem Heimweg war Anja verdächtig
ruhig, genau wie ich gestern. Sie hatte sich doch nicht etwa ebenfalls
verliebt?
    Jetzt wußte ich auch, was sich
hinter dieser Holztür befand. Auf dem Heimweg machte ich mir so meine Gedanken
darüber. Es kam mir fast so vor wie eine Werkstatt. Es hatte nach Eisen
gerochen, nach Farbe und nach Schweiß. Vielleicht war es eine Schlosserei oder
so was. Erst jetzt fiel mir auch auf, daß dieser junge Mann gar kein Italiener
war. Er sah zwar genauso aus, wenn auch etwas größer, aber ich hatte ihn
verstanden, Anja, auch wenn sie sich ein bißchen dumm angestellt hatte,
ebenfalls. Er war also einer von uns. Normalerweise hätte mich das alles
brennend interessiert und ich hätte meine Gedanken weiterverfolgt, aber einer
meiner Füße stieß gegen einen abgenagten, völlig ausgetrockeneten Knochen, und
sofort waren meine Gedanken wieder auf Wegen, die immer bei einem bestimmten
Punkt endeten. Ach ja, wer hätte das gedacht?
    Zu meiner großen Überraschung nahm
Anja heute ihr Mittagessen wie in Trance ein. Sie sprach kaum mit mir, sie
spielte nicht mit mir, sie aß vor sich hin und starrte blicklos auf einen
Punkt, den ich nicht feststellen konnte. Die Welt war schon verrückt. Kaum war
ich einigermaßen wieder zu mir gekommen, fing mein kleines Frauchen an. Erst
nach dem Obst wurde sie wieder einigermaßen mobil.
    Länger als sonst kramte sie oben in
unserem Zimmer herum, brauchte länger als sonst, sich die beiden kleinen
Stoffteilchen über den Körper zu ziehen. Sie pinselte hier und dann dort in
ihrem Gesicht herum, trat immer wieder einen Schritt zurück, um ihr Werk zu
betrachten. Sie kämmte sich so sorgfältig, als ginge sie nicht etwa an den
Strand, sondern in die Oper, mit einem Wort gesagt, sie übertrieb mächtig. Ich
war froh, daß wir als Hunde, selbst
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