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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht
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das ihnen Hoffnung und Zuversicht gab, erinnerten sie sich an den Glauben ihrer Vorfahren und fürchteten jedes Jahr aufs Neue, dass am Namenlosen Tag Satans Geschöpfe einen Weg in ihre Welt fanden.
    Die Bewohner des Dorfes Asterladen, die von der Pest verschont geblieben waren, drängten sich um ein prasselndes Feuer in der Kirche. Sie war das einzige Steingebäude im Dorf und das einzige, das starke Türen besaß, welche die Dorfbewohner fest verschließen konnten.
    Es war der sicherste Ort, den sie hatten, und das einzige Geräusch, das ihnen Trost spendete, waren die gemurmelten Gebete ihres Priesters.
    Rainard, seine Frau Aude und ihre kleine Tochter hatten nicht so viel Glück gehabt. Am Nachmittag waren sie auf den Feldern geblieben – nachdem die anderen Dorfbewohner gegangen waren –, um eine Brosche zu suchen, die Aude verloren hatte.
    Es war ihr einziges Schmuckstück, eine einfache Brosche aus Bronze, die seit Generationen in ihrer Familie weitergegeben wurde und auf die Aude besonders stolz war. Normalerweise hätte sie sie nicht auf dem Feld getragen, doch am Nachmittag sollte dort zum Tanz aufgespielt werden. Der Herr hatte ihnen Bier versprochen, und Aude wollte sich schön machen. Trotz ihres Alters und den vielen Geburten war Aude ein eitles Geschöpf und stolz auf ihr Aussehen. Doch zwischen Tanz und Biertrinken hatte sich die Brosche irgendwie von ihrem Brusttuch gelöst und war sicherlich in der Erde festgetreten worden. Sie und Rainard – der sie die ganze Zeit für ihre Dummheit schalt, ihr einziges Schmuckstück auf dem Feld zu einem Weihnachtstanz zu tragen – hatten stundenlang gesucht, doch die Brosche war unauffindbar geblieben.
    Zu spät hatten sie bemerkt, dass es bereits dämmerte und kein Mensch mehr zu sehen war.
    Sie waren ins Dorf zurückgeeilt, außer Atem und voller Furcht, und hatten an die Kirchentür gehämmert, bis ihre Knöchel bluteten.
    Doch der Priester hatte sie Dämonen genannt, und die Dorfbewohner, sicher im Inneren der Kirche untergebracht, hatten geschrien und nicht glauben wollen, dass die wohlvertrauten Stimmen ihrer Nachbarn irgendetwas Menschliches an sich hatten.
    Nun mussten Rainard und Aude und ihre kleine Tochter, die Aude gewickelt und sicher in ihrem Häuschen zurückgelassen hatte, als sie auf das Feld hinausgegangen waren, die Nacht allein überstehen.
    Rainard entzündete ein großes Feuer im Kamin in der Mitte des Raumes, und er und seine Frau kauerten sich so nah wie möglich daran und lauschten dem Stöhnen und Schreien, das der Wind mit sich trug.
    »Es wird schon nichts passieren«, murmelte Aude und überzeugte damit weder ihren Mann noch sich selbst. Sie warf einen besorgten Blick auf ihre Tochter, die schlafend in ihrer Wiege lag.
    »Wir wären in Sicherheit, wäre dein verfluchter Tand nicht gewesen«, sagte Rainard. Aude öffnete zwar den Mund mit den gelben Zähnen, sagte jedoch nichts. Sie trauerte ihrer verlorenen Brosche nach und fragte sich, ob Rainard wohl irgendetwas mit ihrem Verschwinden zu tun gehabt hatte.
    Was, wenn er sie an sich genommen hatte, um sie auf dem Markt in Nürnberg zu verkaufen? Womöglich würde er das Geld für ein Paar Schweine oder etwas Derartiges verschwenden! Ja, vielleicht hatte er sie selbst irgendwo versteckt…
    Plötzlich war über dem Heulen des Windes noch ein Geräusch zu hören, der entfernte Lärm einer Tür, die aufgebrochen wurde, und dann Füße, die an der Rückseite ihres Häuschens entlang schlichen.
    Manche der Füße klangen, als hätten sie Krallen.
    »Rainard!«, kreischte Aude und warf sich ihrem Mann entsetzt an die Brust.
    Er stieß sie beiseite und ergriff die Axt, die er neben sich gelegt hatte.
    Immer mehr Füße kamen vorbeigehuscht, jetzt lauter, und das Paar glaubte zu hören, wie die Türen von drei oder vier weiteren Nachbarhäusern aufgebrochen wurden.
    »Rainard!«, schrie Aude und packte seinen Arm.
    Und dann knarrte die Tür ihrer Hütte und sprang auf.
     
     
    Rainard und Aude trauten ihren Augen kaum.
    Ein Kind, ein Junge stand dort. Er schluchzte und war mit Schmutz und Schürfwunden bedeckt.
    Dennoch war er das schönste Kind, das die Bauern jemals gesehen hatten.
    »Wer bist du?«, fragte Rainard und wunderte sich, wie das Kind den umherschleichenden Dämonen hatte entkommen können.
    Der Junge schluckte und begann zu weinen. »Ich habe mich verirrt«, sagte er schließlich.
    Rainard und Aude tauschten einen Blick. Sie hatten Geschichten über obdachlose Kinder
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