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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht
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langen Stunden, bis die Sonne hoch am Horizont stand, murmelte er Gebet um Gebet, nicht nur als Schutz gegen die Teufelskunst, die in der Luft lag, sondern auch als Beistand für seine Reise.
    Wenn er sich auf die Gebete konzentrierte, merkte er vielleicht die schneidende Kälte nicht so sehr.
    Doch selbst die Mittagssonne konnte die Luft nicht erwärmen und machte das umliegende Land nicht freundlicher.
    Die Felder waren verlassen, Pflüge in der gefrorenen Erde steckengeblieben, und die Türen leerer Hütten knarrten im Wind in ihren Angeln.
    Es gab kein Anzeichen von Leben: keine Männer, keine Frauen, keine Hunde, keine Vögel.
    Nur eine karge, tote Landschaft.
    »Teufelswerk, Teufelswerk«, murmelte Wynkyn zwischen den Gebeten. »Teufelswerk, Teufelswerk!«
    Am späten Nachmittag taten Wynkyn alle Glieder weh, und er schwankte vor Erschöpfung. Sein Husten war schlimmer geworden, und hinter seiner Stirn pochte ein hartnäckiger und grausamer Schmerz.
    »Ich bin so alt«, flüsterte er, als er unter einem verkrüppelten Baum ohne Blätter Rast machte. »Zu alt für das alles. Zu alt.«
    Der Mönch krümmte sich unter einem Hustenanfall, und als er sich wieder aufrichtete und sich die Tränen aus den Augen wischte, blickte er niedergeschlagen auf das, was er zu seinen Füßen glänzen sah.
    Kein Schleim mehr. Nur noch Blut… und dickflüssiger, gelber Eiter.
    Eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit, beinahe erfroren und dennoch vor Fieber glühend, bog Wynkyn auf einen fast nicht erkennbaren kleinen Trampelpfad ein, der nach Nordosten führte. Auf der letzten Meile waren zu beiden Seiten der Straße düstere Bäume aufgetaucht, und der Pfad führte tief in einen dunklen Wald hinein.
    Die Kälte des Winters hatte die Bäume all ihrer Blätter beraubt, und Feuchtigkeit und allerhand schmarotzende Pilze überzogen ihre schwarzen Äste und knorrigen Zweige. Felsbrocken ragten aus dem moosbedeckten Boden auf und hatten die Bäume schief wachsen lassen. Kalte Luft wirbelte zwischen ihnen hervor und führte einen dünnen Nebel mit sich, der sich in den Kronen der Bäume einnistete.
    Niemand wagte sich jemals in diesen verbotenen Wald. Nicht nur sein bloßes Aussehen war bedrückend, in alten Legenden hieß es, dass hier Dämonen und Waldgeister ihr Unwesen trieben und Kobolde unter den Felsen darauf lauerten, sich jeder törichten Seele zu bemächtigen, die sich in ihr Reich wagte.
    Wynkyn hätte gekichert, wenn er die Kraft dazu besessen hätte. Hunderte von Jahren lang hatte die Kirche die Menschen mit ihren Geschichten von rotäugigen Dämonen von diesem Wald ferngehalten. Rotäugige Dämonen gab es hier zwar keine, doch Wynkyn wusste, dass die Wirklichkeit noch weitaus schlimmer war als die Geschichten.
    Dieser Wald enthielt den Höllenschlund.
    Er schleppte sich weiter über den Pfad und musste alle zehn oder zwölf Schritte stehen bleiben, um sich an einen Baum zu lehnen und zu husten.
    Wynkyn wusste, dass er sterben würde und dass es nur noch darum ging, ob er es schaffen würde, den Schlund noch einmal zu öffnen und das Grauen, das sich dort während des Jahres angesammelt hatte, zu vernichten, bevor er seine Seele Gott anempfahl.
    Nach einer weiteren Meile begann der Waldboden anzusteigen. Noch eine halbe Meile, und Wynkyn, dessen Beine inzwischen so schwach waren, dass er sich schwer auf seinen Stab stützen musste, um sich aufrecht zu halten, war endlich am Rand einer Schlucht angekommen. Die Hügel zu beiden Seiten waren nicht sonderlich hoch – vielleicht sechs oder siebenhundert Fuß –, doch der Grund der Schlucht reichte… nun, bis in die Hölle hinab.
    Dies war der Schlund des Grauens, das Tor zur Hölle.
    Wegen der Anstrengung, die ihn der mühsame Weg gekostet hatte, bekam Wynkyn kaum noch Luft. Ein Husten entrang sich ihm, dann ein weiteres, und das dritte war schließlich so schmerzhaft, dass Wynkyn auf die Knie sank und hingefallen wäre, wenn er sich nicht an seinem Stab festgehalten hätte. Die Pest hatte seine Lunge verwüstet und Wynkyn stand kurz davor, zu ersticken.
    Es ging zu schnell mit ihm zu Ende.
    Ihm blieb nicht mehr genügend Zeit.
    Gott sei Dank kannte er die Beschwörungsformeln auswendig.
    Wynkyn zwang sich, den Kopf zu heben. Er spuckte aus, krächzte und spuckte noch einmal, dann wischte er sich mit zitternder Hand den Mund ab.
    Der Augenblick war gekommen.
    Langsam sprach er die Worte, den Blick auf den Schlund gerichtet.
    Als er geendet hatte, schien es zunächst, als
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