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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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regelmäßig fast zum Wahnsinn trieb. Inzwischen, nach dreißig Jahren auf See, warte ich damit, bis ich an Bord bin.
    Andrea und ich haben gewisse Gepflogenheiten für die Phase meiner Vorbereitung entwickelt. Erst streiten wir uns. Wegen jeder Kleinigkeit gibt es Krach, ob es um das Auto geht oder um das Wetter oder um die Schiffsglocke, die im Hof in der Nähe der Wäscheleine hängt und an der sie sich immer den Kopf anschlägt. Sie stößt drei- oder viermal dagegen, wenn sie die Wäsche zum Trocknen aufhängt, und jedes Mal stürmt sie ins Haus und schreit mich an, die Glocke endlich abzuhängen. (Sie hängt immer noch dort – sie hat inzwischen gewissermaßen Erinnerungswert.) In den Wochen, bevor ich den neuen Job antrete, gehen wir einander eben auf die Nerven, aber im Grunde ist das nur eine Art Ventil für die Ängste, die uns plagen – ihre Angst vor meiner Abreise, und meine Angst, sie alleine zurücklassen zu müssen.
    Andrea ist Krankenschwester, sie arbeitet in der Notaufnahme im Krankenhaus von Burlington. Sie ist eine leidenschaftliche, eigensinnige, liebevolle Frau aus Vermont mit italienischen Wurzeln. Ich liebe sie über alles. Wir lernten uns in einer Kneipe in Boston kennen, dem Cask ’n Flagon , das in der Nähe des Kenmore Square liegt. Damals war sie noch Schwesternschülerin, während ich als junger Seemann schon ein paar Mal um die Welt geschippert war. Als ich in die Kneipe kam, saß eine Brünette mit Wuschelkopf an der Bar und unterhielt sich mit dem Barkeeper; sie fiel mir sofort auf. Die beiden hatten eben entdeckt, dass sie gemeinsame Freunde hatten. Dann plötzlich (so erzählt Andrea die Geschichte) tauchte dieser große Typ auf und setzte sich einfach neben sie.
    »Sie haben da ein Problem«, sagte der Typ.
    Andrea dachte, Na gut, er sieht ja nicht schlecht aus. Spiele ich halt mal mit.
    »Und das wäre?«, fragte sie.
    »Wo Sie auch reingehen, Sie sind immer die Hübscheste.«
    »Danke«, sagte sie. »Aber ich sehe hier nur drei Frauen. Kein besonders großes Kompliment.«
    Ich lachte und streckte ihr die Hand hin.
    »Ich bin Rich«, sagte ich, »was Sie aber nicht allzu wörtlich nehmen dürfen.« Das doppelbödige Wortspiel mit meinem Namen gehörte in den frühen Achtzigern zu meinen besseren Eröffnungszügen.
    Andrea lachte laut auf. Dann erlaubte sie mir, ihr einen Drink zu bestellen.
    Jahre später, als wir verheiratet waren, erzählte mir Andrea, dass ich ihr sofort ziemlich unterhaltsam vorgekommen sei, ein Bursche, mit dem man leicht ins Gespräch kam. Wie bei den meisten Leuten beschränkte sich ihr Wissen über die Handelsmarine auf Humphrey-Bogart-Filme. Wahrscheinlich war das der Grund dafür, dass sie sich meine vielen Geschichten geduldig anhörte. »Was Sie erzählen, klingt nach einem echt interessanten Beruf«, sagte sie.
    Kurze Zeit nach unserem ersten Kontakt musste ich wieder zur See. Andrea hörte monatelang nichts mehr von mir. Nach ihrem ersten Ausbildungsjahr zog sie in eine neue Wohnung. Dann, eines Nachts gegen 1.00 Uhr, klopfte es an der Tür. Und als sie öffnete, stand ich davor und grinste, als hätte ich den Hauptgewinn im Lotto gezogen. Sie war absolut sprachlos. Sie dachte, ich müsse durch ganz Boston geirrt sein, um ihre neue Adresse herauszufinden. Damit lag sie nicht ganz falsch.
    Andrea war damals fünfundzwanzig und voll auf ihre Ausbildung konzentriert. In der Krankenpflege sah sie ihre Lebensaufgabe. Ich tauchte zwar auf ihrem Radarschirm auf, aber nur als kleiner Fleck ganz am Rand. Schließlich verschwand ich immer wieder, und sie bekam Ansichtskarten oder Briefe aus allen möglichen Häfen in aller Welt. Dann kam ich wieder nach Boston zurück und führte sie zum Essen und ins Kino aus; manchmal holte ich sie und ihre Freundinnen morgens um sieben ab und fuhr sie zu ihrer Schule. Und die ganze Zeit hatte ich eine Menge Geschichten auf Lager, von Stürmen vor Kap Hatteras, von Taifunen oder von guten oder verrückten Matrosen.
    Für mich gab es damals nur das Leben zur See. Und Andrea gefiel es, Postkarten aus aller Welt zu erhalten und dann plötzlich wieder mit mir zusammen zu sein. »Es war irgendwie romantisch«, sagt sie bis zum heutigen Tag. »Richtig romantisch.«
    Am Abend bevor ich zur Maersk Alabama abreisen musste, fuhren Andrea und ich zu unserem Lieblingsrestaurant Euro in der Nachbarstadt Essex. Andrea bestellte Scampi und ich eine Platte mit Meeresfrüchten; wir tranken eine Flasche Rotwein, die wir selbst mitgebracht
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