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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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war es eine Art religiöser Zeremonie, es erinnerte mich ein wenig an die Lateinische Messe in der katholischen Kirche, damals in Massachusetts, wo ich aufgewachsen bin. Vor ein paar Stunden hatten sich diese Burschen unter viel Gelächter Witze erzählt und damit geprahlt, dass sie »echte somalische Piraten« seien, »rund um die Uhr im Einsatz«. Doch jetzt war alles anders. Es kam mir so vor, als seien wir tausend Jahre zurückversetzt worden und als bäten sie zu Allah um seinen Segen für das, was sie bald tun würden.
    Ich wusste, was passieren würde. Aber ich hatte nicht vor, tatenlos zu bleiben und alles nur hinzunehmen.
    »Was habt ihr jetzt vor, wollt ihr mich umbringen?«, schrie ich zum Anführer hinauf. Im Dunkeln hörte ich ihn lachen – ich sah sogar seine Zähne aufblitzen –, dann bekam er einen Hustenanfall und spuckte aus. Danach sangen die vier einfach weiter. Ich versuchte, die Hände zu bewegen, vielleicht konnte ich die Fesseln ein bisschen lockern, aber eins musste man Musso lassen: Von Knoten verstand er was.
    Dann brach der Betgesang ab, einfach so. Auf dem Boot wurde es still; jetzt hörte ich wieder das Plätschern der Wellen. Angestrengt starrte ich in die Dunkelheit, versuchte zu erkennen, ob die Mündung einer AK-47 auf mich gerichtet war. Nichts.
    »Hast du Familie?«
    Die Stimme klang spöttisch und überheblich. Es war der Boss, keine Frage.
    »Ja, ich hab Familie«, sagte ich. Mit einem Anflug von Panik wurde mir klar, dass ich mich nicht von meinen Lieben verabschiedet hatte. Ich biss mir auf die Lippe.
    »Tochter? Sohn?«
    »Ich habe einen Sohn, eine Tochter und eine Frau.«
    Schweigen. Ich hörte etwas rascheln, aus der Richtung des Cockpits. Dann redete der Anführer weiter.
    »Das ist schlecht.« Offenbar wollte er mich gründlich verunsichern. Und das gelang ihm verdammt gut.
    »Ja, das ist wirklich schlecht«, gab ich zurück. Was immer sie vorhatten oder sagten, sie sollten jedenfalls nicht merken, dass sie es geschafft hatten, echte Todesangst bei mir auszulösen.
    Musso kam durch den Mittelgang zu mir. Er nahm einen weißen Stoffstreifen, den er von einem Hemd abgerissen hatte, und flocht ihn durch meine Handfessel. Er zog den Lappen nicht fest an, sondern flocht ihn nur um die Leine. Dann nahm er zwei Schnüre, wie sie bei Fallschirmen verwendet werden, eine war rot, die andere weiß, und flocht sie ebenfalls durch die Fessel. Langsam. Sein Gesicht war höchstens dreißig Zentimeter von meinem entfernt, und ich konnte genau beobachten, wie sehr er sich auf die Sache konzentrierte. Er wickelte die weiße und die rote Schnur in einem komplizierten Muster um die Fessel, es musste offenbar ganz exakt gemacht werden.
    Es ist ein eigenartiges Gefühl zuzuschauen, wie man auf das eigene Sterben vorbereitet wird. Irgendwie schienen sie zu erwarten, dass ich mich mit meiner Ermordung abfinden, ein braves Opfer sein und kein Wort sagen würde. Das jagte mir heiße Wut durch den Körper. Diese Burschen würden mich nicht meiner Familie und allen, die ich liebte, wegnehmen. Auf keinen Fall.
    Als Musso fertig war, ging er zum Cockpit zurück. Sie fingen wieder an zu reden – jetzt aber in normalem Gesprächston – und schienen eine Absprache zu treffen. Ich sah, dass der Anführer dem Großen seine Pistole gab. Tall Guy kam auf mich zu. Also hatten sie ihn für den Job bestimmt.
    Tall Guy setzte sich hinter mich auf den orangefarbenen Überlebensanzug. Anscheinend mussten sie aus einem rätselhaften Grund bei dem Ritual auf etwas Orangenem oder Rotem stehen oder sitzen. Er checkte das Magazin der 9-Millimeter, rammte es wieder in den Griff der Pistole und hantierte dann eine Weile mit der Waffe. Es war, als würde er mit mir spielen. Der Typ, den ich Young Guy nannte und der mich die ganzen zwei Tage angestarrt hatte, grinste wie ein Irrer, kam herbei und zerrte meine Füße auf den Überlebensanzug. Dann kam auch noch Musso hinzu und riss heftig an meinen Armen. Sie versuchten, mich in die richtige Position zu bringen, vermutlich um die Sache sauber durchziehen zu können. Der Anführer schrie Musso zu: »Fest anziehen!«, und den anderen befahl er: »Zieht ihn hoch!« Musso riss an der Leine, mit der meine Hände gefesselt waren, um meine Arme über meinen Kopf zu ziehen. Sie wollten mich strecken. Kommt nicht in Frage, sagte ich mir. Ich lass mich nicht abschlachten wie das gemästete Kalb in der Bibel.
    Als Musso anfing am Strick zu ziehen, klemmte ich die Fäuste fest unter
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