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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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ganz unmittelbar zu erleben, war so entsetzlich und überwältigend, dass ich manchmal glaubte, zu einem kläglichen Häufchen Elend zusammenbrechen zu müssen. Aber das geschah nie. Das lehrte mich, dass ich weit mehr aushalten kann, als ich mir selbst zugetraut hätte.
    Ich denke, wir setzen den Grenzwert unseres Durchhaltevermögens instinktiv recht niedrig an, aus purer Angst vor dem Versagen. Wir denken, Solange ich diesen Job, dieses Haus, diesen Partner, so und so viel Geld habe, ist bei mir alles okay . Aber was passiert, wenn uns etwas davon genommen wird? Und noch mehr – deine Freiheit, deine Menschenwürde, sogar die einfachsten Selbstverständlichkeiten, wie zum Beispiel die Freiheit, allein zur Toilette zu gehen? Und was passiert, wenn andere Menschen versuchen, dir sogar das Leben zu nehmen? Dann entdeckt man plötzlich, dass man eine größere und stärkere Persönlichkeit ist, als man sich jemals hättest vorstellen können. Dass Stärke und Glaube nicht davon abhängen, welche Sicherheiten man hat. Sie sind davon völlig unabhängig.
    »Was ich getan habe, können Sie auch«, sage ich den Leuten. »Der einzige Unterschied ist, dass Sie dazu noch nicht gezwungen waren.« Unweigerlich kommt dann die Antwort: »Na ja, da bin ich nicht so sicher.« Aber ich bin es. Glauben Sie mir. Jedes Mal, wenn mich Selbstzweifel überkamen, konnte ich sie überwinden. Jedes Mal, wenn mir etwas genommen wurde, entdeckte ich, dass ich es eigentlich nicht unbedingt brauchte. Wir sind stärker, als wir glauben.
    Und natürlich gibt es da auch noch das H-Wort: »Held«. Irgendwann nach meiner Rückkehr normalisierte sich das Leben allmählich. Die Medienleute zogen ab; Freunde und Bekannte verabschiedeten sich und kehrten in ihr eigenes Leben zurück; die Anrufe der Hollywood-Agenten hörten auf. Endlich fand ich die Ruhe, mich hinzusetzen und die Briefe zu lesen, die mir viele Menschen geschrieben hatten. Manche waren nur an »Captain Phillips, Vermont«, adressiert. Darüber musste ich lachen – als ob ich ein Charles Lindbergh oder Abraham Lincoln oder der Weihnachtsmann am Nordpol wäre! Aber ich fühlte mich überhaupt nicht anders. Ich war immer noch ein ganz gewöhnlicher Bursche, ein echter Durchschnittsbürger. Aber jetzt benutzten manche Leute mir gegenüber ein Wort, das ich immer für Leute wie den Weltkriegssoldaten Audie Murphy oder den Astronauten Neil Armstrong reserviert hatte.
    »Sie sind mein Held.« Das trieb mir Tränen in die Augen. Aber es waren nicht Tränen des Glücks. Ehrlich, ich fühlte mich wie ein Hochstapler, ein Aufschneider. Ich habe nichts Besonderes geleistet, dachte ich . Das alles habe ich gar nicht verdient. Und ich will es auch nicht . Mit Komplimenten habe ich nie viel anfangen können. Wahrscheinlich ist das meiner Kindheit zuzuschreiben – mit sieben Brüdern und Schwestern in einer irisch-katholischen Familie aufgewachsen zu sein. Ich weiß genau, wie ich mit Leuten umgehen muss, die mich herumkommandieren wollen. Aber ein Kompliment macht mich verlegen. In der dritten Nacht nach meiner Rückkehr träumte ich sogar, dass die ganze Sache nur reine Einbildung gewesen sei. Es hatte gar keine Piraten gegeben, keine Geiselnahme, keine Befreiung. Aber trotzdem hielten mich alle für einen Helden, nur war alles reine Erfindung, aufgenommen in einem Hollywoodstudio. Ich war nichts weiter als ein Schwindler, und irgendwann fanden es die Leute heraus und hassten mich dafür. Ich bin schweißgebadet aufgewacht.
    Aber mir wurde auch klar, dass heutzutage jede Person, die etwas Außergewöhnliches erlebt hat, als Held oder Heldin bezeichnet wird. Dann werden sie zu Talkshows eingeladen, wo sie unweigerlich verkünden: »Wissen Sie, ich halte mich nicht für einen Helden.« Was sie damit sagen wollen ist: »Wenn ich ein Held bin, dann durch Zufall. Das Potenzial dazu trägt man in sich. Wenn das Schicksal Sie in meine Schuhe gestellt hätte, hätten Sie dasselbe getan.« Und das stimmt auch. Dort draußen, vor der Küste Somalias, habe ich nichts Neues über mich entdeckt. Sondern ich habe entdeckt, welches Potenzial in einem Menschen stecken kann, der sich selbst dazu erzieht, stark zu sein. Ich bin immer noch ein ganz gewöhnlicher Mann aus Vermont, aber mir wurde eine Einsicht zuteil, die nur wenigen Menschen vergönnt ist.
    Nach all den Interviews und Reden und einer wahrhaft irren Willkommen-Zuhause-Party (500 meiner engsten Freunde und Nachbarn versammelten sich zu einem Picknick im
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