Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
da hörten Bruder Göck und ich den Streit bis in die Gaststube hinein. Ich stand auf und ging hinaus auf den Hof, um zu erfahren, was da vor sich ging, aber als ich in die Mitte gelangte, traf ich nur auf Hella und Gustelies.»
    Pater Nau schaute so betreten, dass Heinz beinahe gelacht hätte. «Ihr seid mir schöne Ermittler, die sich gegenseitig auflauern», stellte er fest. Dann aber fiel ihm etwas anderes ein. «Wo war der Schultheiß?»
    Pater Nau hob die Schultern. «Ich weiß es nicht.»
    Auch Hella schüttelte den Kopf. «Keine Ahnung.»
    Der Richter sprang auf. «Schnell, geht zum Rathaus und schickt die Büttel. Bernhard, wir gehen zum Roten Ochsen. Ich glaube, der Schultheiß ist in großer Gefahr.»
     
    «Wo ist es? Sag mir einfach nur, wo es ist.»
    «Warum willst du das wissen? Du stirbst jetzt. In der Hölle kannst du mit diesem Wissen nichts anfangen.»
    Krafft von Elckershausen nickte in die Dunkelheit hinein. Eine einzige Kerze flackerte neben der Tür. Ihr Licht reichte kaum bis zur Mitte des Raums. Hier, in dieser Ecke, wo er gefesselt saß, herrschte schwarze Nacht. Aber was er nicht sah, konnte er fühlen. Seine Handgelenke brannten. Die Schnüre saßen so fest, dass ihm schon vor einer ganzen Weile die Finger taub geworden waren. Sein Hals fühlte sich rau an, und die Kehle schmerzte beim Sprechen. Aber das war auszuhalten. Seine Blase, die Blase hingegen! Die würde sicher bald platzen. Vor Stunden schon hatte er es dem Mann gestanden, den er nur als Schatten vor sich sah. «Was kümmert’s mich», war die Antwort gewesen, «mach dir doch in die Hosen.» Dieses Schwein. Der hatte seinen Spaß daran, ihn zu quälen. Wie jetzt.
    «Wenn ich schon sterben muss, kannst du mir wenigstens sagen, warum.»
    «Das kannst du dir doch denken. Ich stecke dir das Zauberbuch unters Hemd.» Ein genüssliches Lachen erschallte. «Du weißt ja, wer ‹Dr.   Faustus’ dreifachen Höllenzwang› hat, der muss der Mörder des Kannengießers sein.»
    Der Schultheiß nickte. «Das hast du dir sauber ausgedacht.» Ihm brach der Schweiß aus. «Lass mich laufen», bat er. «Der Richter wird herausfinden, dass du es warst. Er lässt dich nicht davonkommen. Du wirst gehängt werden.»
    «Ja, das werde ich wohl, wenn es herauskommt. Aber gehängt werde ich ohnehin, habe ja schon zwei auf dem Gewissen. Also, warum soll ich dich verschonen?»
    «Weil ich dir helfen kann, aus der Stadt zu kommen, wenn du mir mein Leben lässt.»
    «Was soll ich außerhalb der Stadt?»
    «Ein neues Leben beginnen.»
    Der Mörder lachte. «Ich brauche kein neues Leben. Mir gefällt das, was ich habe. Bald wird es wieder so sein wie früher. Bald wird es so sein, wie ich es mir wünsche. Nein, ich brauche kein neues Leben.»
    Wieder pfiff der Knüttel durch die Luft. Ein patschendes Geräusch, als hätte der Mörder die Waffe mit der Hand abgebremst. Ein zufriedenes Grunzen. Krafft von Elckershausen zitterte am ganzen Leib. Und nun konnte er seine Blase auch nicht mehr länger halten. Heiß floss es an seinen Beinen herab. Er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Ich sterbe gleich, dachte er, und doch schäme ich mich, hoffe, dass mich niemand so sieht. Ich will nicht sterben.
    «Nein», wimmerte er, «lass mich leben, bitte, lass mich leben.»
    Wieder dieses Pfeifen. Unwillkürlich duckte er sich, spürte einen Luftzug. Seine Stimme schien ihm ganz fremd, ganz klein. Er hörte sich flehen. «Lass mich, ich bitte dich. Lass mich doch leben.»
    Trotz der Dunkelheit presste der Zweite Bürgermeister die Augen zu. Das war nicht er, der da so flehte. Er war ein Mann. Und als solcher wollte er auch sterben. Er gab sich einen Ruck und lag nun ganz still. Irgendwo draußen war ein Rufen zu hören.
    «Du hast Glück», sagte der Mörder. «Ich werde gebraucht. Aber ich komme wieder. Bald schon.» Dann lachte er schrill und ging davon. Hinter der Kerze schloss sich quietschend die Tür.
    Nun war es ganz dunkel. Der Schultheiß atmete auf. Im nächsten Moment schossen ihm die Tränen in die Augen. Krafft von Elckershausen weinte. Er weinte vor Erleichterung. Und vor Angst.
     
    Kaum hatte Heinz mit dem Pater das Pfarrhaus verlassen, machten sich auch Hella und Gustelies auf den Weg. Beinahe gleichzeitig mit ihnen trafen auch vier berittene Büttel, die beiden Wächter aus dem Verlies, der Richter und der Schreiber vor dem Roten Ochsen ein.
    «Ihr bleibt hier!», befahl Heinz den Frauen. «Wehe, ich erwische Euch im Haus!»
    Hella und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher