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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
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Gustelies versuchten gar nicht erst, durch die Butzenscheiben irgendetwas zu erkennen. Der Lärm gab ihnen genügend Auskunft über das Geschehen. Stühle fielen polternd zu Boden, Männer brüllten und fluchten, barsche Anweisungen ertönten, Krüge und Gläser gingen klirrend zu Bruch. Nach wenigen Augenblicken war alles vorbei. Die Stadtknechte brachten Schorsch heraus, banden dem Wirt die Hände auf den Rücken und führten ihn ab. Auch Johann, der Gehilfe, musste mit, ebenso die Wirtin, der Hausknecht und sogar die Spülmagd. «Bringt sie auf das Amt», ordnete der Richter an. «Und passt mir ja auf, dass sie nicht miteinander reden.» Die Büttel nickten.
    «Und Ihr beide, Ihr geht jetzt nach Hause. Sofort.» Hella und Gustelies kannten diesen Ton. Wenn Heinz so sprach, dann war er ganz Amtsperson. Folgsam nickten sie. Heinz drohte ihnen noch einmal mit dem Finger und folgte dann den Wachleuten. Zwei Stadtknechte und der Schreiber blieben zurück, um das Wirtshaus zu durchsuchen.
    Kaum waren die Männer verschwunden, betraten auch Gustelies und ihre Tochter den Gasthof.
    «Lass uns nach oben gehen. Dort, wo die Wirtsleute und der Gehilfe ihre Zimmer haben. Die Büttel werden zuerst die Gästezimmer durchsuchen.» Gustelies nickte zu den Vorschlägen ihrer Tochter. Immerhin kannte sie sich hier aus.
    Langsam stieg sie hinter Hella die Treppen hinauf. Seit Arvaelo weg war, fühlte sie sich alt und erschöpft.
    Hella hatte schon unter den Strohsack des Gehilfen geschaut, die wenigen Kleidungsstücke am Nagel und seine Truhe durchsucht. «Hier ist nichts», stellte sie fest, schaute sich aber doch noch einmal um.
    Gustelies zerrte die Truhe von der Wand, bückte sich und richtete sich triumphierend auf. In der Hand schwenkte sie ein Buch.
    «Das ist es?» Hella war verblüfft.
    Gustelies nickte. «Der Staub hat es mir verraten. Schau hier, die Truhe ist vor kurzem schon einmal bewegt worden.»
    Hella strahlte. Gerade wollte sie ihrer Mutter um den Hals fallen, als es in der Gaststube wieder laut wurde. Flugs eilten sie die Stiege hinab.
    «Was   … was geht denn hier vor?» Hella starrte auf den Schultheiß, der sich die Handgelenke rieb. Geflissentlich übersah sie die tropfnasse Hose.
    «Wir haben ihn im alten Badehaus gefunden», meldete einer der Büttel. Er versuchte gar nicht erst, sein hämisches Grinsen zu unterdrücken.

KAPITEL 20
    Heinz Blettner war verzweifelt. «Es ist nichts herausgekommen. Verstehst du, Hella. Ich kann förmlich die Lösung des Falls riechen, so nahe ist sie mir, aber ich kriege sie einfach nicht zu fassen. Mir ist, als hätte ich etwas vergessen. Etwas ganz Wichtiges. Aber, bei Gott, ich komme einfach nicht drauf.»
    Hella saß ihrem Mann gegenüber. Morgen würde der letzte Tag der Messe sein. Vor ein paar Tagen war es noch so heiß gewesen, dass die Frankfurter und ihre Gäste unter der Hitze stöhnten. Heute aber hatte die Magd zum ersten Mal den Kamin angezündet. «Es ist Herbst geworden», sagte Hella leise. «Die Zeit des großen Sterbens beginnt.»
    «Was sagst du da?», fragte Heinz.
    «Ach nichts», antwortete seine Frau. «Mir kommen jetzt manchmal solche Gedanken. Sprich weiter, wie ist es dir bei den Vernehmungen ergangen?»
    Heinz stöhnte leise auf. «Die Spülmagd weiß von nichts und greint schon, wenn ich sie nur scharf angucke. Ich habe sie gehen lassen. Der Hausknecht ist eine alte Saufnase. Den interessiert eigentlich nur der Verbleib des Weinkellerschlüssels. Das Wohl und Wehe seiner Arbeitgeber ist ihm herzlich egal.»
    «Und der Gehilfe? Du weißt, dass er der Liebste der Wirtin ist?»
    «Ja. Der Gehilfe. Er beschuldigt den Wirt, und der Wirt beschuldigt ihn. Es steht Aussage gegen Aussage.»
    «Hast du den Schultheiß befragen können?»
    Heinz schüttelte den Kopf. «Dem ist die Sache nicht gut bekommen. Er sitzt nur da und starrt und starrt. Dann zittert er für eine Weile und jammert leise. Dann starrt er wieder. Ruhe braucht er, sagt der Stadtarzt. Ruhe und viel Schlaf. Vielleicht ist unser Zweiter Bürgermeister in ein paar Tagen wieder ansprechbar. Vielleicht.»
    Hella nickte. Sie stand auf und sah aus dem Fenster. «Komm her, Heinz», rief sie. «Ich habe das erste gelbe Blatt gesehen.»
    Der Richter stellte sich neben sie, legte den Arm um ihre Hüfte und zog Hella an sich. «Was im Sterben gesät wird, hat lange Bestand, oder?», fragte sie und schmiegte sich an ihn.
    «Wie meinst du das?», fragte Heinz zurück, doch er bekam keine Antwort.
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