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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
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PROLOG
    Frankfurt, im Sommer 1532
    Obwohl die Sonne längst hinter dem Taunus versunken war, schwitzte die Stadt noch immer. Das Pflaster und die Wände glühten, in den Häusern lagen die Menschen schlaflos in ihren Betten und ächzten bei jeder Bewegung. Aus den Abfallgräben und Kloaken stieg übler Geruch, vermischte sich mit den Ausdünstungen der Menschen und Tiere, mit Kadavergestank, Weindunst und leisem Kräuterduft zu etwas, das sich besser kauen als atmen ließ. Die Luft lastete wie ein Deckel auf der Stadt, ließ Reiche wie Arme leiden. Der Himmel war sternenklar, nur hin und wieder zogen ein paar Wolkenfetzen am beinahe vollen Mond vorüber.
    Ein gedämpftes Klappern stieg an den Hauswänden auf, drang durch die offenen Läden in die Schlafkammern und schmiegte sich in schweißnasse Träume.
    Ein Mann führte ein Pferd, dessen Hufe mit Lappen umwickelt waren, durch die stillen Gassen. Er trug trotz der Hitze einen schwarzen Umhang und hatte die Kapuze tief in die Stirn gezogen. Sein Gesicht war zugesperrt wie ein Verlies, die Augen waren schmale Schlitze, die Lippen ein dünner Strich. Von den Fackeln und Laternen hielt er sich fern, wich dem Licht aus, das durch die offenen Türen vonSchankwirtschaften und Herbergen auf die Straßen fiel, entglitt sogar dem Mondschein, der die Gassenmitte erhellte.
    Immer wieder sah er sich um, während er von einer engen Gasse in die nächste schlüpfte. Einmal erschrak das Pferd, wollte wiehernd aufsteigen, doch der Mann drückte auf die empfindlichen Nüstern des Tieres. «Pssst», flüsterte er. «Halts Maul!»
    Quer über den Pferderücken festgezurrt hing eine Rolle. Der dünne Ballen schien ungewöhnlich lang. In der Nische unter dem Erker des Kaufmannshauses reckte eine Gestalt vorsichtig den Kopf, immer bemüht, im Schatten zu bleiben. Sie blickte dem Mann nach, der das Pferd weiterzerrte, atmete tief ein und aus und eilte dann wie ein Hase im Zickzack dem Fremden und seinem beladenen Pferd nach.
    Sie waren vom Trierer Platz die Töngesgasse entlanggekommen, weiter durch die Bornheimer Pforte die Friedberger Gasse hinauf. Das Friedberger Tor hatten sie passiert und waren in den Wald eingetaucht, der kurz hinter der Stadt begann. Im Mondlicht glänzte etwas auf dem Weg. Und wieder, ein paar Ellen weiter. Der Verfolgte bückte sich und befühlte die glänzenden Stellen auf dem staubtrockenen Pfad. Schaum. Dem Pferd tropfte vor Anstrengung Schaum vom Maul, stob in Flocken zu Boden. Die Last musste sehr schwer sein.
    Zwischen den Bäumen fiel es der Schattengestalt leichter, den Mann zu verfolgen. Während unter den Schuhen des Pferdeführers Zweige und Zapfen knackten, schlich der Verfolger barfuß im Schutz der Stämme den Weg entlang. Er atmete so flach es ging, trocknete sich in einem fort den Schweiß von der Stirn und wischte sich auch die Achselntrocken, um sich nicht durch seinen Geruch zu verraten.
    Nach einer kleinen Weile hielt der Mann das Pferd am Rande einer Lichtung an, band es an einen Baum und klopfte ihm den Hals. Aus der Umhangtasche holte er einen schrumpligen, übriggebliebenen Winterapfel und gab ihn dem Pferd. Während es fraß, tropfte der Saft zwischen seinen langen Zähnen hervor.
    Der Verfolger hielt sich hinter einem Gebüsch verborgen und spähte zwischen Blattwerk und Zweigen auf die Lichtung. Gerade eben zog eine Federwolke am Mond vorbei. Dann war sie vorüber, und der Mond erhellte mit seinem harten Glanz die Lichtung.
    Der Mann legte seinen schwarzen Umhang, der ihn mit der Nacht vermählt hatte, ab und krempelte sich die Ärmel des Leinenhemdes bis zu den Ellbogen auf.
    Dann löste er die Packriemen, zerrte die Last vom Pferd und ließ sie zu Boden fallen. Schon hatte die Nacht das dumpfe Geräusch verschluckt. Mühsam zerrte der Mann die lange Rolle auf die Lichtung. Er richtete sich auf und wischte den Schweiß von der Stirn. Sein schwerer Atem klang bis hinter das Gesträuch. Er bückte sich, packte mit beiden Händen zu und holte tief Luft. Schließlich gab er dem Ballen einen Stoß, sodass der sich auf die Lichtung abrollte. Es war in der Tat ein Teppich.
    Als die letzte Stoffrundung umgeschlagen war, kam ein lebloser menschlicher Körper zum Vorschein. Ein schmaler Mann mit großer Nase, schütterem Haar und einer großen Stirnwunde, die von Blut verkrustet war.
    Der Beobachter im Gesträuch erschrak nicht, sondern schlug lediglich ein Kreuzzeichen, als hätte er nichts anderes erwartet.
    Der Mann richtete sich auf,
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