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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
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mit dem Finger auf einen Zunftmeister in der letzten Bank und fragte: «Ihr da, sagt mir, wie Ihr einen Mann zu Tode bringen würdet?»
    Der Handwerker überlegte nicht lange. «Erschlagen würde ich ihn. Einen Knüppel nehmen. Was sonst?»
    Der Bürgermeister drehte sich um. «Nun?»
    Richter Blettner schluckte. Dann senkte er den Blick. «Trotzdem», murmelte er. «Meine Ahnung hat mich noch nie getrogen.»
    Der Bürgermeister schob ihn zur Seite. «Mir stellt sich die Sache folgendermaßen dar. Arvaelo Garm aus Samarra im Morgenland hat den Leipziger Juwelier Zerfaß im Streit um das Zauberbuch, welches dieser ihm nicht überlassen wollte, weil er es eben schon verkauft hatte und nicht sagen wollte, an wen, erschlagen. Die Leiche hat er zerstückelt. Vielleicht ist das ja im Morgenland so üblich. Hannes Eisner kam am nächsten Tag in den Roten Ochsen, um das Buch zu reklamieren. So erfuhr Arvaelo, dass der Kannengießernun das Buch besaß. Einen Tag darauf stand der auf dem Römerberg und verkaufte Goldklümpchen. Jetzt war der Sarazene endgültig überzeugt, dass Eisner im Besitz des Faust-Buchs war. Am Abend folgte er dem Kannengießer, tötete ihn und brachte das Buch in seinen Besitz. Um die Spuren zu beseitigen, setzte er das Haus in Brand. Alsdann floh er aus der Stadt, um der hiesigen Gerichtsbarkeit zu entgehen.»
    Der Erste Bürgermeister machte eine kunstvolle Pause. «Das herauszubekommen, wäre Eure Aufgabe gewesen, mein lieber Richter.»
    Heinz Blettner blickte zu Boden. Die Argumentation des Stadtobersten schien auf den ersten Blick stimmig zu sein. Trotzdem war sich der Richter noch immer sicher, dass er sich in Arvaelo nicht getäuscht haben konnte.
    «In Anbetracht dessen, dass der Schultheiß fehlt», fuhr der Erste Bürgermeister fort, «verurteile ich den Arvaelo Garm aus Samarra in seiner Abwesenheit wegen Mordes zum Tode. Die Hinrichtung wird bis zur Auffindung des Verurteilten ausgesetzt. Die Versammlung ist geschlossen.»
    Die Ratsherren verließen nacheinander den Saal, doch Heinz konnte sich nicht zufriedengeben. Er trat vor den Bürgermeister. «Lasst nach dem Schultheiß suchen», bat er. «Es ist noch nie vorgekommen, dass er eine Ratssitzung versäumt hat. Er soll vor dem Rat aussagen, was er über Arvaelo weiß. Wartet mit der Ausfertigung des Urteils, bis Ihr ihn gehört habt.»
    Der Bürgermeister schnaubte durch die Nase. «Ihr seid ein Plagegeist, Richter», fand er. «Aber gut. Ich gebe Euch zwei Tage.»

KAPITEL 19
    «Und?», wollte Hella wissen. «Wie war es?»
    Sie saß im Pfarrhaus auf der Küchenbank und blickte ihrem Mann entgegen.
    Der ließ sich neben sie fallen, schenkte Wein in einen Becher, trank ihn in einem Zug aus und winkte ab. «Arvaelo soll es jetzt gewesen sein.»
    «WAS?», schrien Gustelies und Hella gleichzeitig auf. «Wieso denn das?»
    Heinz schluckte und sah seine Schwiegermutter von unten herauf an. «Er hat dir Blattgold geschickt. Allerdings nicht zu dir ins Pfarrhaus, um dich nicht in Verlegenheit zu bringen, sondern zu mir ins Amt, damit ich es dir bringe. Der Schultheiß hat das Päckchen abgefangen und alles dem Ersten Bürgermeister erzählt. Für den nun steht jetzt fest, dass Arvaelo nach dem zweiten Mord am Kannengießer mit dem Zauberbuch geflohen ist. Er hat ihn heute in Abwesenheit zum Tode verurteilt, während der Schultheiß es vorgezogen hat, den Gerichtstag zu schwänzen.»
    Hella und Gustelies sahen sich an, dann blickten beide zu Pater Nau. «Also», sagte der. «Der Schultheiß, ja, der   … der Schultheiß   …» Er brach ab.
    «Was ist mit ihm?», fragte der Richter. «Und überhaupt. Warst du nicht gestern mit Bruder Göck im Roten Ochsen? Was hast du herausgefunden?»
    Wieder räusperte sich Pater Nau und warf seiner Schwester einen hilfesuchenden Blick zu. «Na ja, im Ochsen war es recht ruhig. Das Übliche eben, ein paar Würfelspieler, ein paar Trinker, zwei oder drei Messfremde.»
    «Und weiter? Ich merke doch, dass ihr mir etwas verheimlicht. Hella, Gustelies. Was ist gestern geschehen?»
    Hella begann zu kichern, dann berichtete sie. «Zufällig, rein zufällig ging ich mit meiner Mutter gestern Abend am Roten Ochsen vorbei. Da sahen wir den Schultheiß, wie er die Schänke betrat. Wir gingen, ebenfalls zufällig, zum Hintereingang der Herberge und bekamen auf dem Hof mit, wie der Wirt Schorsch mit dem Schultheiß stritt.»
    «Zufällig also.»
    Hella nickte heftig.
    Jetzt sprach Pater Nau weiter. «Es war schon dunkel,
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