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Ruf der Vergangenheit

Ruf der Vergangenheit

Titel: Ruf der Vergangenheit
Autoren: Nalini Singh
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    1
    Sie schlug die Augen auf, und einen Moment war ihr, als wäre die Welt eine andere. Nie zuvor hatte sie Augen von einem solchen Braun gesehen. Gold schimmerte in ihnen. Bernstein. Und Bronze. Unglaublich viele Farben.
    „Sie ist wach.“
    Die Stimme kam ihr bekannt vor, sie hatte sie schon einmal gehört.
    Ganz ruhig. Ich halte Sie.
    Sie schluckte, versuchte zu sprechen.
    Ein kaum wahrnehmbares Fauchen. Beinahe unhörbar. Körperlos.
    Der Mann mit den braunen Augen schob die Hand unter ihren Kopf, hob ihn ein wenig an und hielt ihr etwas an die Lippen.
    Kalt.
    Eis.
    Gierig öffnete sie den Mund, um die Eisstückchen darin schmelzen zu lassen. Ihre Kehle wurde feucht, aber es war nicht genug. Sie brauchte Wasser. Wieder versuchte sie zu sprechen. Hörte sich selbst nicht, aber er hatte sie verstanden.
    „Setzen Sie sich auf.“
    Es war, als versuchte sie gegen eine gefährliche Flut anzukämpfen – ihre Knochen waren wie Gummi, ihre Muskeln ohne jede Kraft.
    „Warten Sie.“ Fast musste er sie hochheben. Ihr Herz schlug so schnell, war das wilde Flattern eines Vogels in der Falle.
    Klopf-klopf.
    Klopf-klopf.
    Klopf-klopf.
    Warme Hände umfingen ihren Kopf und bewegten ihn. Ein Gesicht tauchte vor ihren Augen auf und verschwand wieder.
    „Ich glaube, sie steht immer noch unter Medikamenteneinfluss.“ Seine Stimme war tief, drang tief in ihr flatterndes Herz. „Hast du – vielen Dank.“ Er hielt ihr etwas hin.
    Eine Tasse.
    Wasser.
    Sie griff nach seinem Handgelenk, beinahe wären ihre Finger an der lebensvollen warmen Haut abgerutscht.
    Er hielt die Tasse immer noch außer Reichweite. „Langsam. Haben Sie mich verstanden?“ Mehr ein Befehl als eine Frage – von einer Stimme, die es gewohnt war, dass man ihr gehorchte.
    Sie nickte und spürte etwas an den Lippen. Einen Strohhalm.
    Ihre Finger griffen fester zu, sie kam fast um vor Durst.
    „Langsam“, wiederholte er.
    Sie nippte vorsichtig. Köstlich. Süß. Nach Orangen. Trotz des scharfen Tons ihres Retters hätte sie vielleicht gierig gesogen, wenn ihr Mund es vermocht hätte. Doch sie war kaum in der Lage, ein wenig zu saugen. Es reichte gerade, um ihre raue Kehle zu beruhigen, die schmerzende Leere in ihrem Magen zu füllen.
    Sie hatte so lange gehungert.
    Ein Gedanke berührte sie flüchtig, aber sie bekam ihn nicht zu fassen. Sah gebannt in die eigenartigen Augen. Aber das war nicht alles. Er hatte scharfe, beinahe harte Gesichtszüge und goldbraune Haut. Exotische Augen. Exotische Haut.
    Sein Mund bewegte sich.
    Sie konnte den Blick nicht von seinen Lippen lösen. Die Unterlippe war ein wenig voller, als man es bei einem Mann erwartet hätte. Aber nicht weich. Ganz und gar nicht. Hart und befehlsgewohnt.
    Warme Finger auf ihrer Wange. Sie blinzelte und konzentrierte sich erneut auf seine Lippen. Versuchte zu verstehen.
    „… heißen Sie?“
    Sie schob den Saft fort und schluckte, ließ die Hände auf das Laken fallen. Er wollte wissen, wie sie hieß. Eine verständliche Frage. Sie wollte ja auch seinen Namen wissen. Man stellte sich einander vor, wenn man sich zum ersten Mal begegnete. Das war ganz normal.
    Ihre Finger krallten sich in das weiche Baumwolllaken.
    Klopf-klopf.
    Klopf-klopf.
    Klopf-klopf.
    Schon wieder der eingesperrte Vogel in der Brust. Wie grausam.
    Das war nicht normal.
    „Wie heißen Sie?“ Er sah sie so durchdringend an, dass sie nicht wegschauen konnte.
    Und antworten musste: „Ich weiß es nicht.“
    Verwirrung und Angst schlugen Dev aus grüngoldenen Haselaugen entgegen. „Was hältst du davon, Glen?“
    Mit zusammengezogenen Augenbrauen stand Dr. Glen Herriford auf der anderen Seite des Bettes. „Könnte ein Nebeneffekt der Betäubungsmittel sein. Sie hatte ziemlich viel genommen. Du solltest noch ein paar Stunden abwarten.“
    Dev nickte, stellte die Tasse ab und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Frau auf dem Bett zu. Die Augen fielen ihr schon wieder zu. Er sagte nichts, half ihr nur, sich hinzulegen. Kurz darauf war sie eingeschlafen.
    Dev ging auf den Flur, und Glen folgte ihm. „Was hast du gefunden?“
    „Das ist ja das Eigenartige.“ Glen tippte auf das elektronische Krankenblatt in seiner Hand. „Letztlich nichts anderes als die guten alten Schlaftabletten.“
    „Sah für mich aber ganz anders aus.“ Sie wirkte zu desorientiert, und ihre Pupillen waren viel zu groß.
    „Es sei denn …“ Glen hob eine Augenbraue.
    Devs Mund war auf einmal ganz trocken. „Könnte sie es selbst getan
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