Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
schrecklicher Verdacht. «Sagt, Henkerin, Ihr verfüttert doch nicht etwa die Toten an das Vieh?»
    Er schluckte, sah das schneeweiße Huhn jetzt mit ganz anderen Blicken. Die kleinen, schmalen Hühneraugen kamenihm bösartig vor, die gelben Füße wirkten wie Klauen, und der rote Kamm des Hahnes schien ihm mit Blut getränkt.
    «Was fragt Ihr da?», wollte die Henkersfrau wissen. «Ob wir das Viehzeug mit Leichen füttern?» Sie lachte dröhnend. «I wo, Herr. Mein Bruder ist Fischer. Wir füttern, was er auf dem Markt nicht verkauft. Dazu gibt es Körner, so viel die Biester nur wollen. Na, wie wäre es mit ein paar Eiern?»
    Heinz schluckte. Er aß für sein Leben gern Eier. Aber auf diese hier hatte er keinen Appetit. «Lasst gut sein, Henkerin. Ich wette, die Meine war heute auf dem Markt. Sie schätzt es gar nicht, wenn ich mich im Haushalt einmische.»
    «Kann ich verstehen», lachte die fröhliche Henkerin, winkte ihm noch einmal zu und verschwand im Haus.
    Kurz darauf war auch der Henker wieder zur Stelle. Er schüttelte den Kopf.
    «Passt es nicht?», fragte der Richter.
    «Die vielen Maden! Ihr hättet sie sehen sollen. Bin immer wieder erstaunt, wie schnell so ein Leib zerfällt.»
    Heinz wich einen Schritt zurück. Er hätte wetten können, dass der Mann auf einmal eigenartig roch. Auch seinen Händen, die sauber wirkten, mochte er nicht zu nahe kommen.
    «Passt es denn nun?»
    «Es passt!» Der Henker nickte. «Das Protokoll bekommt ihr morgen.»
    «Also ist die Waldlichtung der Zerstückelungsort. Ist er aber auch der Tatort?»
    Der Henker zuckte mit den Achseln. «Was weiß ich? Kann sein, kann nicht sein. In den Erdkrümeln ist Blut. Ichhabe sie genau untersucht. Und Leichen bluten nicht mehr besonders stark.»
     
    Pater Nau und sein Antoniterfreund saßen derweil im Roten Ochsen und hatten eine Kanne Wein vor sich stehen.
    Bruder Göck hob seinen Becher, trank einen Schluck und verzog das Gesicht. «Pfui Teufel! Schmeckt wie Essig. Schon allein wegen des Weins gehört der Mann ins Verlies.»
    Die Schankwirtin hatte den Unmut des Mönchs bemerkt. «Ist alles zu Eurer Zufriedenheit?», fragte sie.
    Bruder Göck schüttelte den Kopf. «Der Wein ist so sauer, da wird jede Alte wieder zur Jungfrau.»
    Isolde bedauerte. «Mein Mann hat den Schlüssel zum Weinkeller verlegt. Und der Schlosser ist noch nicht so weit. Kommt nächste Woche wieder, und ich verspreche Euch ein Weinchen, nach dem Ihr Euch alle zehn Finger leckt.»
    Die letzten Worte gingen in einem ohrenbetäubenden Geschrei unter, das vom Hof erschallte. Zwei Männerstimmen waren zu vernehmen, die sich lauthals stritten.
    «Was ist denn das für ein Gezeter?», fragte Pater Nau die Wirtin, die mit einem Mal ziemlich unruhig wirkte.
    «Ich weiß nicht. Das kommt sicher vom Nachbarhof. Bei uns ist alles in Ordnung.»
    «Aha.» Pater Nau stand auf. «Der Abtritt ist ebenfalls im Hof, oder?», fragte er. Die Wirtin nickte und sah ihm seufzend nach.
    Draußen war es bereits dunkel. Nur eine einzelne Pechfackel erhellte den Hof. Pater Nau blieb stehen und sah sich um. Obwohl er nichts sah, meinte er, die Anwesenheit eines anderen Menschen zu spüren. «Ist da jemand?», rief er leise und wagte sich zwei Schritte vorwärts. Er legte dielinke Hand hinter das Ohr und lauschte. Da! War das nicht ein Rascheln? Vorsichtig, Schritt für Schritt, ging er dem Geräusch entgegen. Ein eiskalter Hauch in seinem Nacken ließ ihm den Mut sinken. Dann krallten sich kalte, dünne Finger um sein Handgelenk.
    «Aaaaah!» Der Pater schrie.
    «Iiiih!», schrie eine andere Stimme.
    Dann herrschte einen Augenblick lang Stille.
    «Bist du das?», fragte schließlich der Pater.
    «Ja. Und bist du das?», erwiderte Gustelies.
     
    «Heute wollte eigentlich der Schultheiß den Gerichtstag abhalten», erklärte der Stadtschreiber, als die Turmuhr die achte Morgenstunde und den Beginn des Gerichtstages verkündete. «Sollen wir noch warten?»
    Richter Blettner zuckte mit den Achseln. «Nicht länger als bis zum nächsten Turmuhrschlagen.»
    Er hatte erst am Morgen erfahren, dass Krafft von Elckershausen heute selbst den Gerichtstag leiten wollte. Und er ahnte auch, warum. Der Schultheiß wollte endlich den Fall abschließen und Arvaelo als den Mörder bezeichnen. Dabei hatte er natürlich Furcht, Richter Blettner könne ihm ins Handwerk pfuschen.
    Aber wo blieb der Schultheiß? Es war mehr als ungewöhnlich, dass der sich verspätete. Man kann über ihn sagen, was man will,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher