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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht
Autoren: Ines Thorn
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dachte der Richter, aber er hält viel auf Pünktlichkeit. Das sind doch nur Lästermäuler, die behaupten, diese Pünktlichkeit sei eigentlich seine Angst, irgendetwas zu verpassen. Einen Gerichtstag hat er jedenfalls noch nie nach der Zeit begonnen.
    Heinz rieb sich die Hände. Es war kühl heute Morgen. Einerseits war es ihm nicht ganz unrecht, dass der ZweiteBürgermeister nicht kam. So kann er wenigstens nicht Arvaelo als Mörder darstellen, dachte der Richter. Für einen winzigen Augenblick stellte er sich aber vor, wie es wäre, wenn Krafft von Elckershausen doch noch käme. Der Fall wäre innerhalb einer Stunde gelöst, er selbst müsste sich wegen eines Fehlurteils keine Sorgen machen und alles wäre gut. Doch dann schüttelte er sich und verbannte diese verführerischen Gedanken aus seinem Kopf. Er war angetreten, um für Recht und Gesetz in dieser Stadt zu kämpfen. Und Arvaelo war kein Mörder. Das konnte Heinz zwar nicht beweisen, aber sein Herz sagte ihm, dass er sich in dem Sarazenen nicht getäuscht haben konnte. Zumindest hoffte er das. Oder war es doch ganz anders? War es nicht wirklich merkwürdig, dass Arvaelo genau an dem Tag auftauchte, als der Arm auf dem Römerberg gefunden wurde? Und wo war der Sarazene eigentlich gewesen, als das Kannengießerhaus gebrannt hatte? Der Richter versuchte sich zu erinnern. Nein. Er war sich ganz sicher. Arvaelo hatte er in der Brandnacht nicht gesehen. Wieso eigentlich nicht? Dafür war es der Sarazene gewesen, der am nächsten Tag den Toten als Brandopfer erkannt hatte. Heinz zog die Luft zwischen den Zähnen ein. Hatte er sich doch in seinem Freund getäuscht? Und woher hatte er das Blattgold, welches Krafft von Elckershausen beschlagnahmt hatte?
    Vom Bartholomäus-Dom schlug die Turmuhr. Der Gerichtstag begann, auch ohne den Schultheißen. Heinz legte den Ratsherren einen Fall von Diebstahl vor. Anschließend berichtete er über eine Sau, die ihrem Besitzer davongelaufen und auf dem Markt einen gehörigen Schaden angerichtet hatte. Im Gasthof Zur Eiche hatte ein Tagelöhner einen Streit mit einem Handwerker angefangen, und die Schlägereiwar in Windeseile auf die ganze Schankstube übergegriffen. Und im Haus Zum heißen Stein hatte jemand mit falschen Würfeln gespielt. Der Rat stimmte den Urteilen zu, die der Richter vorschlug. Und dann war die Mordsache an der Reihe.
    «In diesem Falle gibt es keine Neuigkeiten», teilte Richter Blettner mit.
    Da erhob sich der Erste Bürgermeister. «Wieso gibt es keine Neuigkeiten?», fragte er.
    «Nun, es sind keine neuen Fakten hinzugekommen. Nur eine Ahnung. Ich bin sicher, dass in den nächsten Tagen eine Verhaftung ins Haus steht, aber, wie gesagt, neue Beweise habe ich nicht.»
    Der Erste Bürgermeister schob seinen massigen Leib aus der ersten Ratsbank. Mit schweren Schritten kam er zum Pult, baute sich bedrohlich vor dem Richter auf. «Gestern», sprach er mit seiner Donnerstimme, die selbst, wenn er flüsterte, noch wie ein Grollen klang, «kam der Schultheiß zu mir und teilte mir mit, dass der Fall gelöst sei. Arvaelo aus Samarra ist der Mörder und flüchtig, sagte er, und dass der wahrscheinlich im Elsass stecke. Als Beweis legte er mir ein Kästchen mit Blattgold vor. Unter dem Deckel klebt der Firmenzettel eines Goldschmieds in Straßburg.»
    Der Bürgermeister wühlte in seinem Wams und legte die schwarzsamtene Schachtel aufs Pult. «Ein Auslieferungsersuchen wollte er an die Amtsbrüder in Straßburg stellen, noch heute. Nun, was sagt Ihr dazu, Richter?»
    Heinz seufzte. «Was soll ich schon dazu sagen? Arvaelo ist kein Mörder. Er hat meine Schwiegermutter um ihre Hand gebeten, ist abgewiesen worden und hat deshalb die Stadt verlassen. Ohnehin wollte er nach Straßburg, um den berühmten Arzt Paracelsus dort zu treffen.»
    «Dass Eure Schwiegermutter ihn abgewiesen hat, ist beileibe kein Grund, ihn nicht zu verdächtigen.»
    «Ja, schon. Aber er hat unsere Ermittlungen mit seinem Wissen vorangebracht. Ohne ihn wären wir lange noch nicht so weit.»
    «Wirklich?», fragte der Erste Bürgermeister.
    Das fragte sich auch Heinz. Er dachte an all das, was Arvaelo ihm beigebracht hatte.
    «Das Hutkrempen-Phänomen», sagte er triumphierend. «Arvaelo hat uns gesagt, wie der Juwelier zu Tode kam.»
    Der Bürgermeister verzog das Gesicht. «Das wird er als Mörder ja am allerbesten wissen. Wollt Ihr mich an der Nase herumführen?», fragte er und sah den Richter drohend an.
    Er trat vor die Ratsbänke, zeigte
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