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PR 2703 – Tod im All

PR 2703 – Tod im All

Titel: PR 2703 – Tod im All
Autoren: Bernd Perplies
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1.
    23. Juni 1514 NGZ
    21.50 Uhr
    Universität von Terrania
     
    Die holografischen Anzeigen umgaben Sichu Dorksteiger wie eine Schar neugieriger Kinder, die sich eine gute Geschichte von ihr erhofften. Doch es war Sichu, die sich eine Geschichte anschaute und anhörte – immer wieder und aus allen erdenklichen Perspektiven.
    Und es war keine gute.
    Genau genommen handelte es sich um eine Tragödie. Vor vier Tagen, am 19. Juni, war eine komplette Hilfsflotte der LFT, 77 Schiffe an der Zahl, aus heiterem Himmel unmittelbar über Terra ausgelöscht worden.
    Sichu richtete den Blick der bernsteinfarbenen Augen auf die Flottenliste: die GIOVANNI CABOTO, ein 1800-Meter-Raumer der SATURN-Klasse, unter dem Befehl von Oberst Bennelong Eoura, die GEORGES MELIES, auf der Helme Landa, ein Bekannter von ihr, gedient hatte, die beiden LFT-BOXEN-Raumer HILDEGARD VON BINGEN und PANTAM NURHERERE – Lazarett-Schiffe! Von ihnen waren nicht mehr als ein 100.000 Kilometer durchmessendes Trümmerfeld draußen im All geblieben.
    Die atorische Chefwissenschaftlerin mit dem langen silbernen Haar, das ihr, von einigen verzierten Ringen mit Mühe gebändigt, wie eine Flut über die linke Schulter fiel, brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass die smaragdgrünen Punkte in ihrer Iris in Bewegung waren. Der Anblick der Trümmer war einfach grauenvoll, eine Katastrophe, die sie auch nach der hundertsten Durchsicht der Bilddokumente noch aufwühlte.
    Vielleicht war der Tod von Helme Landa schuld daran, dass Sichu sich wie eine Besessene in die Aufgabe gestürzt hatte, die Vorgänge an der Grenze des Solsystems zu rekonstruieren und zu begreifen. Einen Teil von ihr faszinierte sicher auch die hyperphysikalische Unerhörtheit der Tat selbst. Wahrscheinlich war der Grund aber vor allem der, dass ihr ein selbstgerechtes Regime, das rücksichtslos Leben opferte, um seine eigene Position zu untermauern, alles andere als fremd war.
    Vor Jahrzehnten war sie eine Soldatin, eine glühende Dienerin der Frequenz-Monarchie gewesen. Deren Machtanspruch war ein absoluter gewesen. Erst die Auslöschung eines ganzen Planeten – nur zum Zweck eines Experiments – hatte Sichu aufgerüttelt und sie dazu gebracht, ihr Lebensbild gründlich zu überdenken.
    Ganz so weit waren die Onryonen, die sich wie Parasiten unter dem Technogeflecht auf Luna festgesetzt hatten, nicht gegangen. Aber ihr Vergehen war nur graduell geringer. Er sei ein Bevollmächtigter des Atopischen Tribunals hatte Shekval Genneryc behauptet, der einzige Onryone, der bislang mit ihnen Kontakt aufgenommen hatte. Das Tribunal habe unzweideutige Hinweise darauf, dass der von Oberst Eoura geführte Verband in die Kampfhandlungen im Ghatamyz-Sektor eingreifen werde. Das jedoch sei verboten.
    Begründungen hierfür hatte er keine geliefert. Stattdessen hatte eine Flotte aus 30 Schiffen, die den Repulsor-Wall um den Mond durchflogen und im Mondorbit Stellung bezogen hatten, einfach das Feuer eröffnet, als Eoura das Verbot missachtete und in den Linearraum wechselte.
    Sichu presste die Lippen zusammen. An dieser Stelle wurde die Sache wirklich hässlich. Ihr Blick wanderte zu dem Standbild und den Analysedaten zu ihrer Linken. Das Bild zeigte einen Teil des gewölbten Rumpfs von Gennerycs Schiff, einem 2100-Meter-Riesen, der sich als Raumvater HOOTRI identifiziert hatte. Aus mehreren verborgenen Abschussrampen waren Miniaturflugkörper gerast. Auch die anderen onryonischen Schiffe hatten ohne weitere Warnung gefeuert. Insgesamt 299 hatte die LFT-Wachflotte gezählt.
    Neben den Analysedaten schwebte eine holografische Projektion der Geschosse. Es handelte sich um 30 Meter lange Torpedos mit einem kugelförmig verdickten Ende, in dem eine Ladung von enormer Sprengkraft stecken musste. Viele Informationen hatte sie nicht zu diesen Waffen. Dafür war alles zu schnell gegangen.
    Sichu zögerte, unschlüssig, ob sie die Aufzeichnungen ein weiteres Mal ansehen sollte. Dann aktivierte sie den Trivid-Abspieler. Sofort erwachten die Standbilder um sie zum Leben. Energieblitze zuckten lautlos durchs All. Die LFT-Wachflotte unter dem Befehl von Oberst Evrem Valsolda feuerte aus allen Rohren, um die Torpedos abzufangen. Lautlose Explosionen blühten in der Schwärze auf. Eine Aufzeichnung der Ortungsstation des Flaggschiffs ELAS KOROM-KHAN zählte mit: 100 ... 120 ... 150 ... 180 ... 198 ... 203.
    Dann verschwanden die übrigen 96 Torpedos im Linearraum. Und keine Minute später dann die Hiobsbotschaft: Die
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