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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer
Autoren: Peter Conrad
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Gebäude würde für die kommende Zeit Eleanors Zuhause sein, vielleicht für immer. Ein unsagbar deprimierender Gedanke.
    Doch nun saß Eleanor hier auf einer roten Parkbank und dachte über andere Dinge nach. Die Blätter um sie herum waren noch feucht vom Morgentau, die Insekten flogen zwischen den Pflanzen hin und her und verbreiteten mit ihrem geschäftigen Summen eine Atmosphäre der Ruhe und Beschaulichkeit. Die Luft roch frisch und nach Nässe, ein leichter Wind schob die Wolken mit einiger Geschwindigkeit vor sich her gen Osten. Doch Eleanor hatte keine Augen für die Welt um sich herum. Wieder und wieder wälzte sie die Ereignisse des Morgens in ihrem Kopf hin und her. Wie war es möglich gewesen, dass sie die beiden durch die geschlossene Tür hatte hören können? Die Distanz von ihrem Bett bis zur Tür, vor der die beiden gestanden hatten, betrug mindestens vier Meter. Die Tür selbst war ein schweres und massives hölzernes Ungetüm, welches besser in ein Gefängnis, als in eine medizinische Einrichtung gepasst hätte. Eigentlich war es unmöglich gewesen, die beiden zu hören. Und dennoch hatte Eleanor nicht nur die geflüsterten Worte deutlich verstehen können. Selbst eine so unhörbare Bewegung, wie ein Kopfnicken von Schwester Emily hatte Eleanor deutlich wahrgenommen. Erneut fragte sie sich, ob sie Teile dieser Geschehnisse in ihrem Zimmer nur geträumt hatte. Sie war so abrupt aus dem Schlaf gerissen worden, dass sie völlig desorientiert im Bett gesessen hatte. Vielleicht waren es die letzten Fetzen ihres Traumes gewesen, die ihr verwirrter Geist mit der Realität verwoben hatte.
    Bei der Erinnerung an diesen Traum atmete Eleanor unwillkürlich tief ein. Das Gefühl des Verlustes schien ihr so unermesslich, dass sich ihr Magen wie verknotet anfühlte. Sie wusste nicht, wer der Mann im Spiegel war. Aber der Gedanke, dass er nicht real gewesen war und sie ihn nie wiedersehen würde schmerzte, als hätte man sie mit großer Kraft vor die Brust gestoßen.
    „Hallo, ich bin Bess “, erklang eine Stimme. Eleanor wandte sich um und sah ein junges Mädchen nur wenige Schritte von sich entfernt stehen, das sie neugierig ansah. Wenn es einen Menschen gab, der das genaue Gegenteil von Eleanor war, dann musste es dieses Mädchen sein. Beide waren ungefähr gleich groß und wohl auch gleich alt. Damit hörten aber schon alle Ähnlichkeiten auf. Im Gegensatz zu Eleanor war Bess hellblond, hatte eine leicht sonnengebräunte Haut und einen geraden, offenen Blick, der sich vor niemandem versteckte. Sie blickte Eleanor so ungezwungen an, dass es schien, als würde dies bereits einen Teil der Unterhaltung ausmachen. Keine Frage, Bess war eines von den Mädchen, auf das Jungs fliegen, dachte Eleanor. Normalerweise machten solche Menschen Eleanor befangen, doch mit Bess war es anders. Obwohl sie einander nicht kannten, empfand Eleanor dieses fremde Mädchen nicht als Bedrohung.
    „Ich bin Eleanor “, antwortete sie.
    „Hi, Ellie. Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte Bess ungezwungen und Eleanor nickte wortlos. Sie rutschte etwas zur Seite und Bess nahm neben ihr Platz. Eine Weile saßen die beiden schweigend auf der Bank, dann ergriff Bess das Wort.
    „Bist du öfter hier? Ich habe dich noch nie hier gesehen.“
    „Nein...“, stammelte Eleanor. „Ich bin noch nicht lange in diesem... Haus.“
    „Ich verstehe “, erwiderte Bess. „Ich bin ziemlich oft in diesem Garten. Er ist einfach viel ruhiger, als die öffentlichen Parks in der Stadt. Da wird man einfach immer angesprochen. Auf die Dauer nervt das.“
    Eleanor sah Bess irritiert an.
    „Oh, entschuldige“, fuhr Bess fort, als sie Eleanors Reaktion bemerkte. „Ich bin keine Patientin der Klinik. Meine Mutter arbeitet hier als Pflegerin. Ihr Name ist Veronica. Zurzeit sind Schulferien und da bin ich oft in diesem Park um zu lesen. Wir fahren nur selten im Urlaub weg, und da muss ich eben sehen, wie ich mich beschäftige.“
    Eleanor nickte stumm. Diese Bess schien ein nettes Mädchen zu sein. Aber es fiel ihr schwer, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren. Ihre Gedanken schweiften ständig ab zu den Geschehnissen der letzten Nacht und des Morgens.
    „Es fällt dir schwer zu lächeln, nicht?“, fragte Bess. „Ich kenne das. Eine Tante von mir war jahrelang depressiv. Es war nicht leicht mit ihr zusammen zu sein. Aber sie konnte ein wunderbarer Mensch sein, wenn sie diese trübe Stimmung manchmal hinter sich ließ.“
    „Ich habe gerade erst
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