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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer
Autoren: Peter Conrad
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dennoch hatte Eleanor sie klar und deutlich durch die geschlossene, schwere Eichenholztür gehört. Und mehr noch – nach dem letzten Satz des unbekannten Arztes hatte Eleanor in der Stille Schwester Emilys Reaktion gehört: Schwester Emily hatte genickt!
     
    Rund eine Stunde später saß Eleanor im Garten des Hospitals. Es war ein abgeschlossener Garten im hinteren Teil des Geländes. So angelegt, dass er weder unerlaubt betreten noch verlassen werden konnte. Die Patienten der geschlossenen Abteilung konnten ihn unter Aufsicht besuchen, solange ihnen nicht der Kontakt zu anderen Patienten wegen potentieller Gewalttätigkeit verboten war. Oft trafen sich hier auch Patienten mit Besuchern von außen, vor allem Familienmitgliedern, wenn das Wetter mitspielte.
    Eleanor hatte von ihrem Frühstück zuvor nichts anrühren können. Irritiert und verängstigt hatte sie sich angezogen und dann nach der Pflegerin geklingelt. Als sich die Tür zu ihrem Zimmer öffnete und das freundliche Gesicht von Schwester Margareth zu ihr hinein blickte, hatte Eleanor sich zu einem Lächeln gezwungen und darum gebeten, in den Garten gehen zu dürfen.
    Schwester Margareth hatte lächelnd genickt und war mit Eleanor zusammen in den Garten gegangen. Dann war sie auf ihre Station zurückgekehrt um einen Eintrag in das Stationsbuch zu machen, so dass Schwester Emily wusste, wo Eleanor sich befand, wenn ihr nächster Gesprächstermin an der Reihe war. Da außer Eleanor noch zwei weitere Patienten im Garten unterwegs waren, war bereits ein Pfleger anwesend, ein bulliger Typ mit kurzen dunklen Haaren, der die Aufsicht im Garten führen würde, so dass es nicht zu Zwischenfällen mit den Patienten kommen konnte.
    Auf dem Weg hierher hatte sie zum ersten Mal überhaupt einen genaueren Blick auf das Sanatorium geworfen. Stratton Hall war ein seltsamer Ort, so viel war sicher. Von außen mochte das Haus in seiner neugotischen Pracht mit all den Erkern, Giebeln und Kaminen furchteinflößend, finster und bedrohlich wirken. Innen jedoch hatte es im Laufe der Jahre so viele Umbauten über sich ergehen lassen müssen, dass es seine Schöpfer kaum wiedererkannt haben würden. Vor mehr als sechzig Jahren waren während eines Feuers weite Teile des Gebäudes ausgebrannt und die neuen Besitzer, die ein Sanatorium aus dem Anwesen machen wollten, hatten es danach ohne Rücksicht auf den ursprünglichen Zustand komplett umgebaut. Das Haus bestand aus drei Flügeln, die ein mächtiges ‚U‘ formten. Zwischen Keller und Dachstuhl erhoben sich drei Stockwerke, die durch je ein Treppenhaus in beiden Seitenflügeln miteinander verbunden waren. Das Erdgeschoss bestand aus einem beeindruckenden Eingangssaal, einem Speisesaal im Westflügel und zahlreichen kleineren Räumlichkeiten im Ostflügel, die ursprünglich für die Dienerschaft gedacht, heute jedoch umgebaut und der Verwaltung und der Küche vorbehalten waren. Auch einige Labor- und Therapieräume lagen hier – nichts, wo man sich als Patient gern aufhielt.
    Im ersten Stock lagen die Wohnräume der Patienten. Hier waren kaum noch Spuren der alten Bausubstanz zu finden. Die Wohnräume der Herren von Stratton und ihrer Familie hatten den kleinen Zellen der Patienten weichen müssen. Trennwände waren eingezogen, moderne Möbel, Toiletten und Waschnischen in jedes der winzigen Reiche eingebaut worden. Im Westflügel, wo die geschlossene Abteilung lag, hatte man zusätzlich Gitter vor den Fenstern angebracht und massive, von außen abschließbare Türen sicherten das Leben der Bewohner dort. Allein die wunderschönen Wandvertäfelungen und kostbaren Leuchten in den Korridoren erinnerten noch an die Pracht der ursprünglichen Anlage.
    Der dritte Stock st and zum überwiegenden Teil leer oder diente als Lagerfläche. Nur einige wenige Laborräume fanden sich hier noch, eine kleine, selten besuchte Bibliothek aus der Zeit des Herrn von Stratton und eine Kapelle aus der gleichen Zeit.
    Wesentlich beeindruckender als dieses letzte Stockwerk jedoch waren die beiden Treppenhäuser. Bis ins letzte Detail waren sie einander gleich – mächtige, breite Marmorstufen führten an wunderschönen, dunklen Holzvertäfelungen vorbei, die verschlungene Muster und filigrane Tierschnitzereien zeigten. Auf einer Seite ließen hohe Fenster das Licht des Tages in breiten Lichtkegeln über die Stufen gleiten und tauchten die hohe Konstruktion Tags und Nachts in ein beeindruckendes Wechselspiel von Licht und Schatten.
    Dieses seltsame
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