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Hitzeflimmern

Hitzeflimmern

Titel: Hitzeflimmern
Autoren: Anthea Bischof
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bestellte Wagen würde sie alle drei am Flughafen abholen, nur mit der kurzen Textnachricht reagiert, sie kämen nicht diese Woche.
    Karl fand das schlicht unmöglich. Es ging nicht an, sich so zu verhalten und er war nicht gewillt, das hinzunehmen. Dass sie viel stritten und wenig sprachen war eine Sache, aber man musste sich doch in einer Ehe an Abmachungen halten. Das war schliesslich ein Teil der Vereinbarung. Er schnaubte, unhörbar in der Diskoatmosphäre um ihn her. Nach Erhalt ihres Sms’ war Christelle nicht zu erreichen gewesen und sie hatte nicht einmal die Höflichkeit, ihm mitzuteilen, was sie denn bei ihren Eltern aufhielt.
    „Es ist faszinierend, nicht?“ fragte eine Stimme neben ihm.
    Es war der dickliche verschwitzte Georg Westermann aus dem Einkauf, mit dem er auf unzähligen Messen gewesen war. Karl fragte sich, was er meinen mochte und tippte auf die vergoldeten Mädchen. Es sprach zwar nicht für die Messe, wenn die das Beste am Anlass waren, doch die statuenhafte Aufmachung und die lasziven Tänze hatten einiges für sich. Wäre er nicht so sauer gewesen, hätte er sich dem Anblick mit mehr Gelassenheit hingeben. So aber ärgerte ihn auch das.
    „Umwerfend“, sagte er deshalb nüchtern und folgte mit dem Blick den schlängelnden Bewegungen einer Tänzerin, während nicht weit hinter ihr eine andere im Spagat in der Luft den Kopf so weit zurück bog, dass ihr langes Haar den Boden streifte.
    „Diese Ukrainer machen einfach Messen, von so was träumen wir nur. Da geht es ab, da passiert etwas“, sprach Georg weiter. Er schien ganz hingerissen.
    „Nur dass dieses Zeug nichts wert ist. Die Dinger halten nichts aus. Ich werde keine zwei Tage hier vertun, ich habe genug gesehen, um zu wissen, dass es sich nicht lohnt“, meinte Karl in Gedanken.
    „Was meinst du, dass es sich nicht lohnt? Das ist doch das Beste. Du hast zwei Tage frei mit allem Komfort und dann ist das Zeug so schlecht, dass du nicht mal begründen musst, warum du es nicht brauchen kannst. Du bist zufrieden, der Chef ist zufrieden und der Finanzer ist auch froh, weil er nichts hat ausgeben müssen. Was willst du mehr?“ sagte Georg aufgekratzt.
    Karl sah ihn kurz an und meinte: „Ich hab’s trotzdem gesehen.“
    Ehe der andere etwas erwidern konnte, vibrierte Karls IPhone und er ging mit langen Schritten zum Notausgang, hinter welchem er die relative Stille einer Feuertreppe vermutete.
    „Hallo?“
    „Ich bin’s“, sagte Christelle.
    „Wo bist du?“ fragte er forsch.
    Sie seufzte. „Bei meinen Eltern.“
    „Wir haben abgemacht, dass du heute zurückkommst, Anna hat einen Wagen für euch organisiert, was denkst du dir, einfach nicht zu kommen?“ rief er ungehalten.
    „Charles“, so pflegte sie ihn immer zu nennen, „ich habe mich entschieden, dass ich gar nicht mehr zurückkomme.“
    „Was?!“
    „Ich – versteh doch, ich fühle mich nicht mehr wohl in Kiew. Ich... es ist so einsam dort und ich kenne zu wenig Leute, ich habe Heimweh“, sagte sie.
    „Du wolltest in diese Scheissstadt, du wolltest das Haus und das Schwimmbad und den ganzen schönen Mist haben und jetzt fühlst du dich nicht mehr wohl hier? Spinnst du vollkommen? Du willst zu deinen Eltern?“ rief Karl. Er war wütend. Er kochte. Wie kam sie nur auf solche Ideen!
    „Ich finde, wir passen nicht mehr zusammen“, sagte Christelle.
    „Das finde ich auch, ganz offensichtlich haben wir ein bisschen andere Vorstellungen davon, wie man sich an eine Vereinbarung hält“, rief er. Dann dämmerte ihm der tiefere Sinn, von dem, was sie gesagt hatte.
    „Was findest du?“ fragte er deshalb.
    „Ich finde, wir sollten uns trennen“, sagte sie.
    Karl war, als habe man ihm die Eingeweide aus dem Leib gesaugt. Er lehnte sich an die Wand hinter sich und schloss ein paar Sekunden die Augen. Der Kopfhörer in seinem Ohr war erhitzt und er fühlte den Schweiss unter dem Plastik leicht jucken. Vor ihm flimmerte der Staub in der Luft und das Wasser der Brunnen glitzerte in der Sonne. Es war ein schöner Tag des Vorsommers, an dem sich Frühjahrsblüten und Hitze verquickten. Er würde sein Lebtag Brunnen hassen, fuhr es ihm durch den Kopf.
    „Das teilst du mir am Telefon mit? Du wirst wirklich von Tag zu Tag stilvoller, Christelle“, meinte er nach einer Pause. Seine Wut war einem Gefühl nackter Leere gewichen, es war ihm, als habe man ihm alles genommen, als habe er nur noch diese Verbindung am Telefon, sonst nichts, gar nichts mehr. Dieses kleine Gerät
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