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Hitzeflimmern

Hitzeflimmern

Titel: Hitzeflimmern
Autoren: Anthea Bischof
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den er nie gewollt hatte. Als Christelle in den Besitz des chromglänzenden Monstrums gekommen war, hatte sie sich nicht getraut, es zu fahren, weil es zu gross sei. Stattdessen hatte sie sich einen italienischen Kleinwagen zugelegt. Karl hatte sich geärgert, sich aber ganz nach der Natur der Dinge mit der Zeit für das Geländemonster erwärmt.
    Das Geländemonster. Ein weiterer Stich. So hatte sein Sohn den Wagen nach einer aufgeregten Diskussion zwischen seinen Eltern genannt. Es war eine Wortkombination, die der Junge mit kindlicher Ernsthaftigkeit hervorgebracht hatte.
    „Machen wir dann das Geländemonster kaputt, dass es uns nicht mehr stört?“ hatte er gefragt.
    Ein einfacher Lösungsvorschlag für ein komplexes Problem.
    Karl liess seine Assistentin einen vertrauenswürdigen Chauffeur anheuern, der den Wagen mit seiner ganzen Fracht nach Zug fahren sollte. Dann dachte er nicht mehr daran.
    Karl hatte Bastian und Leandra schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Es waren nun schon fast vier Wochen. Fast eine Woche seit Christelle Mitteilung. In ihm war eine grauenvolle Leere, wenn er daran dachte. Er musste sich endlich zusammen reissen und mit Christelle reden. Darauf hatte er nicht die geringste Lust. Aber wenn er jemals wieder seine Kinder sehen wollte, konnte er sich nicht weiter so verhalten, als existiere seine Familie nicht.
    „Hallo Christelle“, sagte er, als sie den Hörer abnahm.
    „Hallo.“
    „Wie geht es dir?“, fragte sie nach einer Pause.
    „Beschissen“, sagte er wahrheitsgemäss. „Warum eigentlich? Warum findest du jetzt plötzlich, dass wir uns trennen sollten?“
    „Sanna meint, es gibt eine Zeit für alles. Und manchmal ist eine Zeit eben abgelaufen“, sagte Christelle leise.
    „Sanna mahlt die Fingernägel anderer Leute an, seit wann ist sie die Expertin für unsere Ehe?“ fragte Karl.
    „Sie ist überhaupt keine Expertin, aber was sie gesagt hat, hat mich nicht mehr losgelassen“, wandte sie ein. „Es hat mir einfach zu denken gegeben. Dass ich mich nicht mehr habe entwickeln können. Ich bin in diesem riesigen Kiew fast untergegangen.“
    „Du hast in dieses riesige Kiew gewollt. Du wolltest den ganzen Luxus, die Haushälterin und die Privatschule für die Kleinen. Ich verstehe nicht, wie du uns alle dahin schleppst und dann abhaust. Hast du dich mal gefragt, ob es mir gefällt?“ erwiderte Karl.
    Diese realitätsfreien Animositäten immer. Er hatte sich schliesslich viel mehr als sie mit diesem unaussprechlichen Ukrainisch und den Kulturunterschieden auseinander setzen müssen. Er war Kiew und seinen Eigenarten weit mehr ausgesetzt als sie, die im geschützten Rahmen einer Villa das verwöhnte Leben einer Expat-Gattin lebte. Das sie so glamourös gefunden hatte. Das sie sich gewünscht hatte. Und das sie offensichtlich in ein Heimweh gestützt hatte, dem alle anderen Bedürfnisse weichen mussten.
    „Man kann seine Meinung auch ändern, nicht? Man kann sich auch einmal irren, verstehst du? Es gibt Leute, die wissen nicht immer alles im Voraus, die haben nicht für alles immer eine logische Erklärung. Es gibt Leute, die haben eine Seele und ein Herz!“ rief Christelle erbost.
    „Glaub mir, wenn ich das logisch erklären könnte, dann wäre ich jetzt ein bisschen besser dran!“ rief Karl heftig. Er atmete schwer. „Ich möchte meine Kinder sehen“, schloss er an.
    „Dann komm sie besuchen. Ich bringe sie zu deinen Eltern“, erwiderte Christelle kühl.
    „Du weisst so gut wie ich, dass ich das nicht so einfach kann. Ich meine, wir müssen etwas abmachen, dass ich sie sehen kann. Vielleicht eine Art Au-pair, die mit ihnen hin und her fliegt“, sagte er.
    „Du spinnst wohl. Leandra ist erst drei. Ich kann die Kleine doch nicht einfach mit irgendwem auf den Flieger lassen!“ erwiderte Christelle.
    „Dann bring sie selber“, schlug er vor.
    „Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns erst einmal nicht sehen“, sagte sie.
    „Das ist deine Antwort auf alles. Du hast dich entschieden und ich habe grade noch das Recht, mich damit abzufinden. Aber so läuft das nicht. Nicht was die Kleinen angeht. Ich akzeptiere das nicht einfach so, ich will sie regelmässig sehen und dafür will ich eine Lösung!“ stellte er kategorisch fest.
    In der folgenden Stille hörte er Christelles Atem. Es war, nach der Gewohnheit ihrer Gespräche der Moment, in dem sie zu weinen begann. So war es immer gewesen. Jede Diskussion endete in der Kulmination seines Aufbrausens und ihres
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