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Im Schatten der Leidenschaft

Titel: Im Schatten der Leidenschaft
Autoren: Jane Feather
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PROLOG
    Januar 1805
    Die dicken Altarkerzen ließen die Schatten der beiden Duellanten lang und bedrohlich auf den Steinwänden der Krypta tanzen. Außer den leisen Bewegungen ihrer nur mit Strümpfen bekleideten Füße auf den Granitplatten der Gräber hörte man nur das Klirren von Stahl auf Stahl und den schnellen, aber doch beherrschten Atem.
    Zehn Männer und eine Frau sahen dem tödlichen Ballett zu. Sie standen regungslos an den Wänden, mit angehaltenem Atem, und nur ihre Augen bewegten sich, während sie dem Tanz folgten. Die Frau hatte ihre Hände so krampfhaft vor dem Bauch verschränkt, daß ihre Finger blutleer waren. Ihre wächserne Blässe schien fast grünlich, und ihre Augen, die sonst die lebhafte Farbe eines Feldes voller Kornblumen besaßen, wirkten so hell, daß sie beinahe undurchsichtig aussahen - bleich wie ihre Lippen.
    Die Duellanten waren beide hochgewachsene, kräftige Männer, die einander außer im Alter ebenbürtig waren. Der eine von ihnen schien kaum den Jünglingsjahren entwachsen, der andere war ein Mann im mittleren Alter, mit ergrauendem Haar und einem kompakten, muskulösen Körper, der sich erstaunlich leicht und schnell bewegte im Kampf gegen die jugendliche Behendigkeit seines Gegners. Dann glitt der Fuß des älteren Mannes auf einem Blutfleck aus, der von einem Schnitt im Arm seines Gegners herrührte. Es entstand eine winzige Unruhe unter den Zuschauern, doch der Fechter faßte sich sofort wieder, und nur er wußte, daß sein Widersacher sich für einen Sekundenbruchteil zurückgezogen hatte, damit er sein Gleichgewicht wiedererlangen konnte.
    Zu wissen, daß sein Gegner ihm diese Höflichkeit erwies, bereitete Stephen Gresham keine Freude. In einem solchen Kampf, der nur auf eine Art enden konnte, wollte und erwartete er kein derartiges Entgegenkommen. Er führte seinen nächsten Angriff wilder als zuvor, setzte all die Fähigkeiten ein, die er in dreißig
    Jahren Erfahrung erworben hatte, verließ sich auf die relative Unerfahrenheit seines Gegners, die ihm irgendwann eine Blöße zeigen würde. Aber Hugo Lattimers Achtsamkeit blieb ungebrochen. Er schien es zufrieden zu sein, Stephen die Offensive zu überlassen, parierte mit entschlossener Sparsamkeit und wehrte die Klinge seines Gegners bei jedem Stoß ab.
    Stephen spürte, daß er langsam müde wurde, und wußte, wenn seine größere Erfahrung ihm nicht zum Sieg verhelfen würde, mußte die Jugend seines Gegners triumphieren. Hugo atmete immer noch ohne Mühe, auch wenn trotz der feuchten Kühle in der Krypta Schweißtropfen auf seiner Stirn standen. Stephens Herz raste, sein Fechtarm schien nur aus Schmerz zu bestehen. Das Licht flackerte vor seinen Augen, und er blinzelte, um wieder klar sehen zu können. Hugo tänzelte und wirbelte vor ihm herum, und plötzlich schien es, als habe er die Führung an den jüngeren Mann abgegeben. Er wurde zurück an die Wand gedrängt. Vielleicht war es nur eine Sinnestäuschung oder die Auswirkung seiner Müdigkeit, doch plötzlich hatte er den Eindruck, als komme Hugo immer näher, bis seine lebhaften, grünen Augen, erfüllt von Haß und tödlicher Entschlossenheit, Stephens Körper zu durchdringen schienen, wie es sein Degen auch in Kürze tun würde.
    Und dann geschah es. Ein Sprung aus der hohen Quart. Er brachte nicht mehr die Kraft auf, seinen Degen hochzureißen, um den Stoß abzuwehren, und spürte, wie die glatte Klinge in seinen Körper drang.
    Hugo Lattimer zog den Degen aus dem zusammensinkenden Körper von Stephen Gresham. Blut tropfte auf den Boden. Er starrte blicklos die Gesichter in der Runde an. Elizabeth vor ihm schwankte. Er wollte zu ihr gehen und sie stützen, doch er konnte es nicht. Er hatte kein Recht dazu. Er hatte gerade ihren Ehemann getötet. Er sah hilflos zu, wie sie ohnmächtig zu Boden sank. Und die Männer, die vor einer halben Stunde noch bereit gewesen waren, im Rausch an ihrer Entehrung teilzunehmen, wandten die plötzlich ernüchterten Blicke von der reglosen Gestalt ab.
    Jasper Gresham stürzte plötzlich mit einem wilden Fluch auf den Lippen vor und kniete sich neben seinen Vater. Er riß ihm das Hemd von der Brust, wo das Blut stoßweise aus einer Wunde direkt über dem Herzen floß. Stephen mußte sofort tot gewesen sein. Einen Augenblick lang strich Jaspers Finger über das seltsame Muster, das oberhalb des Herzens in die Haut seines Vaters tätowiert war - eine kleine, zusammengeringelte Schlange. Er sah zu Hugo auf, und ihre Blicke
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