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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe
Autoren: Daphne Unruh
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Druckmittel in ihrer Hand war. Sie fegte durch die Wohnung, knallte die Türen und verschwand für zwei Tage. Ich hatte keinen Schimmer, was als nächste passieren würde. Hatte ich mit meinem Geständnis bereits mein Schicksal besiegelt? Wie würde das alles ablaufen? Und wann? Manchmal hielt ich mich an der leisen Hoffnung fest, dass sie mich einfach in Ruhe lassen würde. Aber, ich wusste ja: selbst, wenn sie es gewollt hätte, auch sie war an das Gesetz der Undinen gebunden. Hatte sich eine Undine auf einen Menschen fixiert, musste er sterben, wenn sie seine Liebe nicht errang.
    Wie lange noch würde sie weiter um mich kämpfen? Ich war unruhig und schlief schlecht. Ich saß meinem Vater gegenüber, erzählte ihm irgendwas von Beziehungsstress und fragte mich, wann wir uns das letzte Mal in die Augen sehen würden.“
    Tim seufzte tief bei all den Erinnerungen. Ich entzog ihm meine Hände, weil ich vor Aufregung nicht mehr stillsitzen konnte, richtete mich ein wenig auf, strich mir die Haare aus dem Gesicht und atmete ebenfalls durch.
    „Und weiter?“ Tims Stimme klang jetzt ein wenig belegt.
    „Am Morgen des dritten Tages saß sie auf meiner Bettkante vor mir und weckte mich aus irgendeinem quälenden Traum“, fuhr er fort. „Sie hatte beschlossen, ein anderer „Mensch“ zu werden und fragte mich, was sie alles tun und wie sie sein müsste, damit ich sie lieben könnte. Zum ersten Mal beschlich mich das Gefühl, dass sie es tatsächlich ernst mit mir meinte. Deshalb überließ sie mich nicht einfach meinem Schicksal und suchte sich ein neues Opfer.“
    „Sie hat dich aus Liebe gerettet …“, deutete ich und empfand dabei sehr gemischte Gefühle. Tim ging darauf nicht ein und erzählte weiter:
    „Sie war ein paar Tage recht schweigsam. Sie kam nicht mehr mit dem Schloss an und auch nicht mit neuen Immobilienangeboten. Sie ging meinem Vater aus dem Weg. Wohl, weil sie sich schuldig fühlte. Sie wusste, dass neben all dem Persönlichen auch das zwischen uns stand, was sie ihrem eigenen Volk angetan hatte. Nach diesem Schweigen kam eine Phase der Selbstanklage, dass sie eine schlechte Undine sein, nicht wert, geliebt zu werden. Sie sprach nicht mal mehr davon, als Mensch leben zu wollen, obwohl das ihr sehnlichster Wunsch war. Sie hatte das Bild einer Prinzessin vor sich, die in einem Schloss wohnte und nicht in einer Wurzel unter Wasser. Das war ihr ganzer Antrieb. Sie spürte meine Verachtung für das, was sie getan hatte. Und es stimmte, ich verachtete sie wirklich dafür, auch wenn sie mir leid tat. Gleichzeitig war sie mein Todesurteil. Es war schwer, mit all diesen Gefühlen klarzukommen.“
    Tim machte eine Pause und schaute aus dem Fenster. Er war aufgewühlt. Ich sah, dass seine Hände zitterten, nahm sie und lächelte ihn an.
    „Es ist überstanden.“
    „Ich weiß.“ Tim lächelte zurück und beruhigte sich.
    „Wir könnten auch einen Spaziergang durch den Wald machen und du erzählst mir später …“, schlug ich vor.
    „Nein, du sollst die Geschichte erfahren. Jetzt“, unterbrach mich Tim.
    „Okay“, flüsterte ich.
    „Und dann kam der gestrige Tag. Ein Sonntag, an dem sie fertig bekleidet in ihrem langen filigranen Undinen-Kleid, schon um sieben vor meinem Bett kniete. Ich staunte, dass sie das Kleid überhaupt aufgehoben hatte. Minchin hatte einen Entschluss gefasst. Sie wollte ihr Volk aufsuchen und sich ihrer gerechten Strafe stellen. Und da ich derjenige war, der ihre Schandtat wieder gut gemacht hatte, sollte ich sie begleiten. Sie war sich auf einmal sicher, dass Ihr Vater und das Volk der Undinen dafür sorgen konnten, dass weder sie noch ich das Leben verlieren mussten. Natürlich klang das hervorragend, aber bei mir stellte sich keine Euphorie ein. Schließlich war es nicht leicht, jemandem wie Minchin zu trauen. Woher sollte sie plötzlich so eine Möglichkeit zaubern? Das ganze konnte einfach ein Trick sein, um mich ins Wasser zu bringen und zu töten. Andererseits ließ ihr Verhalten der letzten Tage auch ein bisschen Hoffnung zu. Daran hielt ich mich trotz allem fest, als ich meine Taucherausrüstung zusammenpackte und mich von meinem Vater verabschiedete. Ich erzählte ihm, dass ich mit Minchin ein Wochenende an einen See rausfahren und ihr das Tauchen beibringen wollte. Ich versuchte, fröhlich und unbekümmert zu klingen, als wenn zwischen mir und Minchin wieder alles in bester Ordnung wäre. Es war schrecklich, meinen Vater so anlügen zu müssen. Vielleicht sah
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