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Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Schatten Gottes auf Erden (German Edition)

Titel: Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
Autoren: Elisabeth Hering
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Ich schreibe dieses Buch für Köváry György, den Sohn, der meinen Namen trägt, in dessen Adern mein Blut fließt und der mich nicht kennt – so wenig, wie ich ihn kenne.
    Er wächst auf in der Obhut seiner Mutter und ihrer Verwandten, und sie werden ihm wenig von mir erzählen. Doch was sie ihm sagen, wird mich in ein falsches Licht setzen. Ich mache seiner Mutter deswegen keine Vorwürfe, denn auch sie kannte mich nicht – aber daran war kein anderer schuld als ich selber.
    Ich hätte Margit nicht heiraten dürfen, denn ich liebte sie nicht. Doch die, die ich liebte – was hatte sie mir angetan! Nicht, dass sie meine Liebe nicht erwidert hätte, das wäre zu ertragen gewesen. Einer, der sich an eine Frau verliert, die nichts von ihm wissen will, ist in meinen Augen kein Mann. Aber dass sie im entscheidenden Augenblick versagte, unsere Liebe verriet und mit Füßen trat, ließ das schöne Bild, das ich von ihr im Herzen trug, in Stücke springen wie eine Statue, auf die ein Felsblock fällt: Man hatte gedacht, sie wäre aus Marmor und ein Stoß könnte sie wohl umstürzen, doch nicht zertrümmern – aber sieh da, sie war nur aus Gips gewesen und lag nun, ein Zerrbild ihrer selbst, im Sande. Nein, Etelka, du Tochter des Grafen Losonczy und Nichte des Woiwoden von Siebenbürgen, du warst es nicht wert, die Frau von Köváry Istváns Bastard zu werden!
    Und dann Margit. War es eine Sünde, dass ich sie zu mir nahm, weil ich vergessen wollte? Eine Sünde, dass ich das Mitleid, das ich mit ihr empfand, für Liebe hielt? Mit der Rute züchtigte ihr jähzorniger Vater sie aus dem geringfügigsten Anlass, obwohl sie schon über siebzehn war, und ich sah sie nach einer solchen Strafe, zitternd in ohnmächtiger Empörung, in der Scheune stehn, wohin sie sich verkrochen hatte, um sich auszuweinen. Sollte ich sie da nicht in die Arme schließen?
    Sie wurde mir natürlich nicht verweigert, war ihr Vater doch nur ein Pächter auf einem der vielen Güter Hunyadis und ich in seinen Augen ein »Herr«.
    Aber ich bereute bald, was ich getan hatte, denn nachdem ich keinen Grund mehr hatte, Margit zu bemitleiden, fühlte ich, wie wenig sie mir bedeutete. Nein, ich schlug sie nicht. Warum auch? Gab sie sich nicht alle Mühe, mir zu Gefallen zu sein? Aber ich beachtete sie wenig und immer weniger, denn sie konnte sich in ihre neue Umgebung nicht hineinfinden.
    Was für einen Gesprächsstoff gab es zwischen ihr und mir, zwischen ihr und meinen Bekannten?
    Doch je mehr ich sie vernachlässigte und je mehr sie darunter litt, desto mehr versuchte sie, meine Beachtung zu erzwingen, und dazu verfiel sie auf das unklügste Mittel, das sie hätte finden können: Immer lag sie mir wegen irgendwelcher Nichtigkeiten in den Ohren, beklagte sich über alles und jedes, und ihr Jammern nahm kein Ende. Das wurde mir mit der Zeit so lästig, dass ich sie schließlich verließ. Ja, ich habe mich ihr gegenüber schuldig gemacht, und das bedrückt mich noch heute. Denn im Grunde ihres Herzens war sie ein guter Mensch. Nie ging ein Bettler unbeköstigt aus unserem Hause, nie versäumte sie, in Not geratene Verwandte zu unterstützen, lieber versagte sie sich selber etwas, als einen noch so entfernten Vetter oder eine betagte Muhme im Stich zu lassen. Und ihren Vater, der bald darauf bettlägerig wurde, nahm sie zu sich und pflegte den mürrischen, launischen, ständig aufbrausenden alten Mann mit rührender Geduld. Und, was ich am meisten an ihr schätzte: Nie habe ich sie sich an einem Weibertratsch, an übler Nachrede beteiligen hören.
    Sie wird auch über mich kein schlechtes Wort verlieren. Eher mich verteidigen, wenn andere mich angreifen. Aber was kann sie schon vorbringen, um meinen Neidern und Feinden den Mund zu stopfen?
    Am meisten schuldig gemacht aber habe ich mich gegenüber meinem Sohn. Er saß auf meinen Knien, als er noch nicht sprechen konnte, und jauchzte, wenn ich ihm Schaukellieder sang. Doch als er jemanden brauchte, der seinen Geist weckte, der ihn einführte in den Irrgarten dieser Welt und ihn lehrte, die in allen Farben prangenden Giftgewächse von den unscheinbaren Heilpflanzen zu unterscheiden, da ließ ich ihn im Stich.
    Ich schreibe dieses Buch aber nicht, um zu beschönigen, was ich tat. Die echten Töne lassen sich immer von den unechten unterscheiden, wenn man ein feines Gehör dafür hat. Und das, so hoffe ich, hat mein Sohn von mir geerbt. Nein, ich hinterlasse ihm diese Blätter, in denen meine Kindheitserinnerungen
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