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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe
Autoren: Daphne Unruh
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Anzahl größer wurde. Ich hörte auf, auf das blaue Licht hinzuschwimmen und ruderte auf der Stelle. Die Undinen verlangsamten sich und wirkten irritiert. Sie wirkten nach wie vor atemberaubend schön und zugleich sehr fremd auf mich. Aber sie schienen allesamt gesund. Ich richtete das Wort an sie und staunte, wie hoch und dünn meine Stimme unter Wasser klang:
    „Ich bin Kira und weiß, dass ich den Durchgang nicht passieren darf. Aber das will ich auch gar nicht. Ich bin hier, weil ich euch finden wollte, um mich zu entschuldigen wegen dem Erdbeben und dem Ausbruch und weil ich wissen wollte, ob es noch kranke Undinen gibt und ob ich helfen kann.“
    Nichts geschah. Niemand antwortete mir. Die Undinen glitten um mich herum. Das blaue Licht hinter ihnen ließ sie wie Schatten erscheinen, so dass ich ihre Gesichter nicht erkennen konnte. Vielleicht sprachen sie mit Niemandem, der nicht ihres gleichen war. Oder verstanden sie mich nicht? Aber das konnte nicht sein. Minchin hatte mich auch verstanden und mit mir gesprochen. Das Wasser schien sich zu verdunkeln. Leise Angst kroch in mir hoch. Ich versuchte, mich weiter auf der Stelle zu bewegen und dabei keine schnellen Bewegungen zu machen. Sie vertrauten mir nicht. Ich versuchte es noch einmal:
    „Ich komme in friedlicher Absicht. Es tut mir leid, was damals passiert ist. Aber ich musste …“
    Plötzlich tauchte ein Gesicht vor mir auf. Es war eine männliche Undine mit fließenden, weißen Haaren bis zu den Schultern. Seine Augen waren tief und blau. Die durchscheinende Schönheit dieser Wesen nahm mir immer wieder den Atem. Ich verstand einmal mehr nicht, warum Minchin nicht mit Ihresgleichen zufrieden war.
    „Es gibt keine Undinen mehr, die krank werden. Aber es gibt Undinen mit Verletzungen …“ Seine Stimme war glockenhell, so dass ich unwillkürlich die Hände gegen meine Ohren hielt, um sie etwas zu dämpfen. Ich verstand nicht sofort. Aber dann war es klar. Bei meinem Erdbeben hatte es Verletzte gegeben.
    „Ich …“ Ich verschluckte mich ein wenig beim Atmen. Mein Herz hämmerte gegen die Brust. Ich hatte die Undinen gegen mich aufgebracht. Ich wusste, dass sie Menschen in den magischen Wassern ertrinken ließen, ohne dabei irgendeine Empfindung zu haben. Vielleicht war es einfach dumm von mir gewesen, sie so schutzlos und naiv aufzusuchen. Undinen waren keine Menschen. Sie dachten und fühlten anders.
    Reiß dich zusammen, Sie kennen deine Macht , befahl der Gregor-Anteil in mir. Oder vielleicht war er auch von Alexander. Was für blödsinnige Luisa-Gedanken. Ich war es einfach selbst! Ich erhob meine Stimme und staunte, wie hell auch sie unter Wasser klang, wenn ich mich bemühte, lauter zu sprechen:
    „Ich weiß, dass ich mich schuldig gemacht habe. Bitte gebt mir die Möglichkeit, mein Vergehen wieder gut zu machen und bringt mich zu den Verletzten.“
    Das schöne Gesicht vor mir verschwand. Die Undinen um mich wurden unruhig. Der Undinen-Mann hatte ihnen irgendein Zeichen gegeben. Sie wanden sich immer enger um mich, als wollten sie mich ersticken. Ich zitterte. Eine neue Panik ergriff mich, und zwar dass ich unter Wasser plötzlich doch nicht mehr atmen konnte, dass die Angst mir die Fähigkeit nahm, dass auf meine Fähigkeiten noch kein Verlass war. Wie konnte ich mich nur erneut unerlaubt einem der Wasser-Durchgänge nähern? Nichts war leichtsinniger.
    Doch sie erstickten mich nicht. Sie zogen mich mit sich fort. Und mein Wasser-Atem versagte nicht. Für eine Weile sah ich nichts weiter als die dunklen Schatten um mich. Dann stoben sie auseinander und gaben einen Ort frei, der noch märchenhafter wirkte als alles, was ich bisher in der magischen Welt gesehen hatte. Es war eine riesige Wurzel mit unzähligen Verästelungen. Aus dem Geäst heraus leuchtete helles weißes Licht. Der Boden war vollständig bedeckt mit einem dichten weichen Moos, auf dem kleine weiße Blümchen blühten. Lauter Undinen glitten durch die Öffnungen zwischen dem Wurzelwerk hinein und hinaus. Jede schien hier eine Wohnung zu haben. Das Ganze wirkte so friedlich, hübsch und lieblich wie eine heile Welt, an der es nie ein Unglück geben konnte. Die Undinen zogen mich hinein in das Innere der Wurzel. Wir tauchten durch gewundene Gänge aus Wurzelarmen, die sich plötzlich zu einem riesigen Hohlraum öffneten, der von vielen glitzerweißen Punkten an den Wurzelwänden beleuchtet war.
    Hier schliefen Undinen in kleinen, fast unsichtbaren Netzen, die in ihrer Feinheit
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