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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe
Autoren: Daphne Unruh
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große Undine auf. Wieder ein wunderschöner Undinen-Mann. Es machte den Eindruck, als wenn sie immer in ihren schönsten Jahren blieben. Hatte Minchin diese Zeitlosigkeit etwa aufgegeben, nur um ein Mensch zu werden? Warum?
    Die Stimme dieses Undinen-Mannes klang jedoch nicht so jung und glockenhell wie die meines Begleiters. Er begann mit einem Bass zu sprechen, der machtvoll klang und weniger wehtat in den Ohren.
    „Minchin ist zu uns zurückgekehrt. Zu ihrer Familie. Sie hat uns großen Schaden zugefügt und sie hat uns den Menschen-Mann gebracht, der uns gerettet hat.“
    Okay, sie wussten Bescheid über Minchins Vergehen. Der Undinen-Mann fuhr fort:
    „Das ist eine sehr schwierige Situation. Die Versammlung wurde einberufen, um über das weitere Schicksal von Minchin abzustimmen. Ich bin das Oberhaupt der Undinen und Minchin ist meine Tochter. Trotzdem verpflichte ich alle Undinen, diesen Umstand ins Gegenteil zu verkehren. Sie hat keine Schonung verdient, sie hat als meine Tochter eine größere Verantwortung als wir alle. Aber sie hat sie mit Füßen getreten und große Trauer unter Familien von uns verursacht. Doch zuerst wollen wir ihren Menschenmann sprechen lassen, der uns vom dunkelsten Kapitel unserer ganzen Geschichte befreit hat.“
    „Ihren Menschenmann …“ Ich kämpfte gegen die aufsteigende Hitze. Sie durfte nicht in meinen Kopf gelangen. Dann war es aus. Außerdem wollte ich nicht wissen, was Tim zu sagen hatte. Ich wollte keinen wässrigen Dank, weil ich zufällig vorbeigekommen war. Das war das allerletzte.
    Minchin tat etwas, was bei mir die letzte Sicherung durchbrennen ließ. Sie hob die Taucherbrille von Tim an. Sein Gesicht verschwand hinter ihren weißen, sich in alle Richtungen ringelnden Haaren aus meinem Blickfeld. Ich sah nur noch, wie Tim die Augen schloss und … sie ihn küsste. Das tat sie wegen mir! Diese infame Seekuh! Es konnte keinen anderen Grund geben.
    Ich wollte mich einfach nur auf sie stürzen, aber ich tat das Gegenteil. Ich ergriff die Flucht und schoss davon. Im Blickwinkel registrierte ich noch das überraschte Gesicht der Undine, die mich hierher geführt hatte. Doch es war die Feuerenergie, die mich antrieb, wie eine Raketenturbine und die niemandem die Chance gab, mich aufzuhalten. Ich flitzte durch das Geäst der Wurzeln, einfach dem veränderten Licht nach, was hier und da durch kleine Lücken im Wurzelgeflecht von draußen hereinschimmerte. Und dann war ich Draußen. Ich wollte nur eins, so viel Abstand zwischen der unseligen Wurzel und mir bringen wie möglich, um sie vor mir selbst zu schützen. Ich schoss wie ein Torpedo in das tiefe Blau hinein. Ich visualisierte vor meinem inneren Auge das Ufer des magischen Sees, um nach Hause zu finden. Ich wollte nie wieder in die Realität, wo es fast nichts mehr gab, was mich noch an Heimat erinnerte. Sondern nach Hause, in die magische Welt.
    ***
    Ich schleppte mich an das Ufer, ließ mich auf den von Blüten bedeckten Strand fallen und blieb einfach liegen. Unter einem Baum, im Blütenmeer. Ganz so wie am Anfang. Über mir der Himmel, unermesslich tief scheinend und doch nur eine Ausstülpung innerhalb der realen Welt. Oder war es umgekehrt? Die reale Welt nur eine Ausstülpung der magischen? Ich wusste noch so wenig. Ich fühlte mich hingeworfen wie ein Samenkorn, von dem keiner sagen konnte, ob es überhaupt keimen oder was aus ihm wachsen würde. Immerhin gab es einen winzigen Trost. Ich hatte mich nicht auf Minchin gestürzt und damit eine weitere Katastrophe vom Zaun gebrochen. Ich hatte auf die kleine, aber wohl durchsetzungsstarke Stimme in mir gehört und war geflohen. Ich war anders. Etwas in mir war anders geworden, auch wenn ich dem noch nicht vertraute. Ja, es gab Rückfälle. So wie der heute. Es gab noch all diese Wunden, aber ich ging nach vorn. Ich folgte meinem Ziel. Wieder hatte ich eine Prüfung bestanden. All das war wichtiger als ... Ich wollte weder an ihn, noch seinen Namen denken. Vielleicht war das die wichtigste Aufgabe für die nächste Zukunft. Darauf musste ich mich jetzt besinnen.
     
    Ich erhob mich. Ich musste fort von dem See, fort von den Undinen. Vielleicht war Wasser doch nicht mein Lieblingselement. Ich spazierte in den Wald. Die aufkommende Dämmerung verzauberte ihn mit ihrem einzigartigen Licht aus Gold, Purpur, Azurblau und Silber. Ich ging und versuchte, meinen Kopf leer zu halten. Bald kam ich an die mir vertraute Wegbiegung. Ich betrat den kleinen krautigen Pfad und
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