Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage
Autoren: M Wilcke
Vom Netzwerk:
Zucken Saras starren Körper.
    »Sara!« rief Jakob.
    Ein ersticktes Röcheln entrang sich ihrer Kehle. Sara wurde noch einmal wie von einem Blitzschlag geschüttelt, dann schlug sie die Augen auf und blickte Jakob verstört und ängstlich an, ohne wohl recht zu begreifen, was hier vor sich ging.
    Jakob hätte sie am liebsten sofort in die Arme geschlossen, doch Matthias Klare hatte bereits nach der Milch gegriffen und sagte: »Richtet sie auf. Das Gift dringt zum Magen und zum |308| Kopf. Ich hoffe nur, Sara hat recht, und die Milch wird das Gift wirklich an sich binden.«
    Jakob brachte Sara in eine sitzende Position und öffnete ihren Mund. Sie stöhnte unwirsch und fuhr erschrocken mit den Armen durch die Luft, doch Jakob hielt sie soweit unter Kontrolle, daß Matthias Klare ihr fast den gesamten Rest der süßen Milch einflößen konnte, die sie widerstrebend schluckte.
    »Und was geschieht nun?« fragte Jakob, während er die unaufhörlich würgende und hustende Sara so gut es ging stützte.
    »Wir werden ein paar Minuten warten, damit die Milch ihre Wirkung entfalten kann. Dann bringen wir Sara dazu, sich zu erbrechen.«
    Jakob strich Sara die schweißnassen Haare aus dem Gesicht und sprach sie immer wieder bei ihrem Namen an, sie reagierte jedoch nicht darauf und hing mit glasigem Blick in seinen Armen. Allein ihren Atem zu spüren und zu fühlen wie ihr Herz nun wieder kräftig schlug, versetzte Jakob regelrecht in Entzücken.
    Kurz darauf machte Klare sich daran, Sara zum Erbrechen zu bringen. Mehrere Male schob er ihr einen oder zwei Finger in den Hals, dann endlich stellte sich der gewünschte Effekt ein. Sara verkrampfte sich und erbrach einen gewaltigen Schwall Milch, in dem grünlich geronnene Klumpen schwammen.
    Dann, nachdem sie sich übergeben hatte und die Milch einen großen Teil des Giftes aus ihrem Körper gezogen hatte, schien sich auch ihr Geist aufzuklären, denn sie erkannte ihn und krächzte heiser: »Jakob, was ist geschehen?«
    »Du bist zurückgekommen, Sara. Du bist tatsächlich aus deinem Todesschlaf aufgewacht.« Er drückte sie an sich und blickte in zwei müde Augen, die noch immer nicht recht zu erfassen schienen, was ihr eigentlich widerfahren war. Noch schien sie dem Tod näher zu sein als dem Leben, doch daß sie überhaupt ins Leben zurückgefunden hatte, war ein Wunder.

[ Menü ]
    |309| Kapitel 30
    Majestätisch schob sich die Morgensonne über den Horizont und vertrieb die Reste des Frühnebels, der grau und feucht über den Feldern gelegen hatte. Jakob lenkte Melchior in einem gemächlichen Trab aus dem Wald und ließ sein Gesicht von den ersten Sonnenstrahlen dieses angenehmen Herbsttages wärmen. Endlich war es ihm wieder möglich, diese Momente simpler Schönheit in vollen Zügen zu genießen, denn er war von den schlimmsten Sorgen befreit worden. Saras Zustand hatte sich in der Nacht zufriedenstellend gefestigt. Zwar lastete der Rest des Giftes mit einer melancholischen Schwere auf ihr, so daß sie kaum genug Kraft besaß, um zu sprechen oder aufrecht zu sitzen, doch es war allein von Bedeutung, daß sie überhaupt wieder unter den Lebenden weilte.
    Erleichtert ritt Jakob in Richtung des Stadttores von Osnabrück, wo er Georg Meddersheim endlich einmal eine gute Nachricht überbringen konnte. Während er noch überlegte, mit welchen Worten er dem Goldschmied die Rettung seiner Tochter beschreiben sollte, kam ihm auf seinem Weg eine Kutsche entgegen. Als das Gefährt an ihm vorbei preschte, konnte er am Fenster Agnes’ Gesicht erkennen. Johann Albrecht Laurentz saß neben ihr, und keiner von ihnen schenkte ihm Beachtung. Jakob zog höflich an der Krempe seines Hutes, doch Agnes zeigte keine Regung und gab vor, ihn nicht zu bemerken. Für sie existierte er nun anscheinend nicht mehr.
    Die Tür der Meddersheims wurde Jakob von Mina geöffnet, die einen halbvollen Melkeimer in den Händen hielt und ihn mit großen, fragenden Augen anstarrte. Unter dem Siegel größter Verschwiegenheit berichtete er ihr, daß sie Sara bald wohlbehalten wiedersehen würde, woraufhin Mina begeistert in die Hände klatschte. Dann führte sie ihn in die Kammer des Goldschmieds, wo Meddersheim leise schnarchend auf dem Bett eingedöst war.
    |310| Jakob drückte sanft seine Schulter. Meddersheim zuckte zusammen und schlug die Augen auf. Als er Jakob erkannte, richtete er sich schlagartig auf.
    »Was bringt Ihr für Nachrichten? Sprecht!«
    »Sie lebt, Herr Meddersheim. Eure Tochter ist von den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher