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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage
Autoren: M Wilcke
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sie danach auf dieser Welt noch eine Zukunft gibt oder ob sie in den Himmel fährt.«
    Zu Jakobs Erleichterung bereiteten die Wachleute im Bucksturm ihm auch dieses Mal keine Schwierigkeiten, Sara aufzusuchen. Einer der Männer betrachtete ihn zwar mißmutig und schien sich insgeheim daran zu stoßen, daß er schon wieder hier auftauchte, aber da sich der Scharfrichter an Jakobs Seite befand, hielt ihn niemand ernsthaft auf.
    Sara schlief, als sie den Kerker betraten. Sie hatte sich auf ihrem harten Lager zusammengekauert und eine Hand zwischen ihre Beine gelegt, dort, wo noch immer ein auffälliger roter Blutfleck auf dem Stoff ihres Kleides ins Auge fiel.
    Jakob kniete sich neben sie und strich ihr die Haare aus dem Gesicht, auf dem sich die Spur getrockneter Tränen abzeichnete.
    »Sara, wach auf«, sagte er vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken. |301| Sie zuckte dennoch zusammen und schlug mit einem Anflug von Panik die Augen auf.
    »Ich bin es – und Meister Klare«, beschwichtigte Jakob sie.
    »Mein Kind? Wo ist meine Tochter?«
    »Sie befindet sich in guten Händen. Sorgt Euch nicht«, meinte der Scharfrichter.
    Sara setzte sich auf und rieb sich das Gesicht. »Himmel, mir tut jeder einzelne Knochen weh.«
    »Die Schmerzen werden bald vorüber sein«, sagte Jakob.
    Sie schaute ihn aus schmalen Augen an. »Werde ich sterben?«
    »In gewisser Weise schon.«
    Sara zog die Stirn in Falten, und zur Erklärung öffnete Jakob die Hand, in der er die kleine Phiole verborgen hatte.
    »Erkennst du es?«
    Sara starrte einen Moment lang schweigend auf das Fläschchen. »Das Tarantelgift.«
    »Du hast mir einmal gesagt, es könnte einen Menschen in einen todesähnlichen Zustand versetzen. Ich weiß, dieses Vorhaben birgt eine große Gefahr, doch es wäre eine Möglichkeit den Rat zu täuschen und dich aus diesem Gefängnis zu schaffen.«
    Sara betrachtete die Phiole mit einer Mischung aus Argwohn und Faszination. »Ich sehne mich nach dem Leben und nach meiner Tochter, aber ich würde es eher vorziehen, zu sterben, damit mein Vater und du mich an einem angemessenen Ort begraben könnt, als daß man mich öffentlich als Hexe richtet.«
    »Du bist also der Meinung, daß wir dieses Wagnis eingehen sollten?«
    »Aber ja.« Sara versuchte zu lächeln.
    Jakob zögerte noch. »Sara, was weißt du über dieses Gift? Kannst du mir etwas über die Dosierung sagen, und wie wir dich ins Leben zurückholen können?«
    »Über die Menge habe ich nie etwas gelesen. Aber ich nehme an, es genügen ein paar Tropfen. Danach müßt ihr mich so |302| schnell wie möglich von hier fortschaffen. Flößt mir süße Milch ein, die wird das Gift an sich binden und mich dazu bringen, mich zu erbrechen. Es wird allerdings nicht einfach sein, mich aus dem tiefen Schlaf aufzuwecken.« Sie wandte sich an den Scharfrichter. »Meister Klare, seid Ihr im Besitz eines Tabakklistieres?«
    Klare nickte. »Der Rat ließ vor einigen Monaten ein solches Gerät anfertigen, für den Fall, daß ein Beschuldigter während der Folter in eine tiefe Ohnmacht fällt. Aber ich habe die Apparatur bis zum heutigen Tage noch niemals anwenden müssen.«
    »Dann könnte es nun an der Zeit sein.«
    »Wir werden alles versuchen, was in unserer Macht steht«, sagte der Scharfrichter ernst.
    Jakob zog den Korken aus der Phiole. »Willst du, daß ich einen Tropfen auf deine Zunge fallen lasse?«
    Sara schüttelte den Kopf. »Nein, wir lassen es direkt ins Blut gelangen. Hast du ein Messer dabei?«
    Matthias Klare zog sein gekrümmtes Messer aus dem Gürtel und reichte es Sara. Sie führte das Messer auf ihren Handteller und ritzte dort die Haut, so daß ein dicker Blutstropfen hervorquoll. Ihre Hand zitterte leicht, als Sara sie ausstreckte und Jakob ermunterte, das Gift darauf tropfen zu lassen.
    »Jetzt«, sagte sie.
    Jakob ließ vorsichtig zwei Tropfen aus der Phiole fallen, die sich sofort mit ihrem Blut verbanden. Sara ballte die Hand zur Faust und atmete schwer. Keiner von ihnen wußte, wie lange es dauern würde, bis das Gift seine Wirkung zeigte.
    »Bring mich zurück, Jakob«, hauchte sie, als er mit beiden Händen um ihre Faust griff und sie verzweifelt drückte. Er wollte ihr Mut machen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Vielleicht war dies sein letzter Augenblick mit Sara.
    Ein paar Momente lang geschah nichts. Im Kerker war einzig Saras angespanntes Atmen zu vernehmen. Dann plötzlich bäumte sie sich auf und keuchte verzweifelt.
    |303| Er rief ihren Namen,
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