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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage
Autoren: M Wilcke
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doch Sara reagierte nicht darauf, sondern warf sich auf den Boden und zuckte dort von einer Seite auf die andere. Sie preßte ihre Hände auf den Bauch und würgte so heftig, daß ihre Augen hervortraten.
    »Es tut so weh …«, brachte sie hervor. »Mein Gott … diese Schmerzen.«
    Die Dosis war zu gering,
schoß es Jakob durch den Kopf.
Es war zu wenig, um sie in den Todesschlaf zu versetzen. Das Gift verursacht nur quälende Schmerzen.
    Noch immer wälzte sich Sara auf dem Lager und schnappte nach Luft. Jakob faßte ihre Schultern, doch sie schüttelte ihn vehement ab und trat mit den Füßen aus, so daß er sich ein Stück zurückzog. Dann mußte er voller Verzweiflung beobachten, wie Sara sich auf dem Boden wand. Schließlich jedoch erlahmten ihre Bewegungen, und sie rührte sich nicht mehr.
    Jakob war ebenso wie Matthias Klare einen Moment lang unfähig, sich zu bewegen, doch dann kroch er auf Sara zu, drehte sie auf den Rücken und horchte nach ihrem Herzschlag.
    »Lebt sie noch?« fragte Klare.
    Zunächst hörte er nichts, doch als er sein Ohr stärker auf ihre Brust preßte, konnte Jakob ein kaum merkliches, langsames Pochen ausmachen. Auch ihr Atem war so flach, daß er kaum zu spüren war.
    »Sie ist dem Tod sehr nahe, aber es ist noch ein Funken Leben in ihr.«
    »Gott gebe, daß wir die Kommissare wirklich täuschen können.« Der Scharfrichter eilte zur Tür. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich werde die Wache darüber verständigen, daß wir Sara Meddersheim tot aufgefunden haben.«
    Jakob nickte und legte Saras Kopf auf seinen Schoß. Aus ihrem hübschen Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Er schob die Lider über ihre erschrockenen Augen, was sie etwas friedvoller ausschauen ließ.
    »Halt durch, Sara«, flüsterte er ihr zu.
     
    |304| Die folgende Stunde verging für Jakob in quälender Ungeduld. Es dauerte fast vierzig Minuten, bis zwei Ratsherren, unter ihnen Jobst Voß, und ein Arzt – es handelte sich um den weißhaarigen Medicus, der mit seinen gichtgekrümmten Fingern einst Jakobs Schnittwunde untersucht hatte – im Bucksturm eintrafen, um den unerwarteten Tod der Sara Meddersheim zu untersuchen.
    »Was in Gottes Namen habt
Ihr
schon wieder hier verloren?« Wie gewohnt hielt Jobst Voß sich in seiner Abneigung gegen Jakob nicht zurück.
    Jakob gab ihm keine Antwort, sondern verfolgte mit bangem Blick, wie Matthias Klare und eine der Wachen Sara entkleideten. Ihr Körper war blaß wie ein echter Leichnam, und als er sie vorhin eine Weile im Arm gehalten hatte, hatte sich ihre Haut kalt und klamm wie die einer Toten angefühlt. Aber würde dies ausreichen, um den Arzt und den mißtrauischen Voß zu täuschen? Denn noch schlug ihr Herz, wenn auch sehr schwach, und wer genau darauf achtete, konnte einen unmerklich flachen Atem spüren.
    Der Arzt und die Ratsherren suchten Saras Körper peinlich genau nach Prellungen oder Wunden ab. Sie schauten sich die Pupillen an und öffneten ihren Mund, um einen Blick auf die Zunge zu werfen. Jakob stockte für einen Moment der Atem, als der Arzt eine Hand auf Saras Hals legte, um ihren Puls zu fühlen, doch kurz darauf verkündete er: »Ich kann keine äußeren Einwirkungen feststellen, die zum Tod dieser Frau geführt haben.« Er deutete auf Saras Unterleib. »Sie hat erst kürzlich ein Kind zur Welt gebracht?«
    Matthias Klare nickte. »Vor etwa fünf Stunden.«
    »Ich nehme an, ihre Lebenskraft ist durch diese Anstrengung dahingeschwunden«, erklärte der Arzt. »Das scheint mir die wahrscheinlichste Erklärung.«
    Jobst Voß verzog das Gesicht und schien sich damit nicht zufrieden geben zu wollen. Er stieß Sara mit dem Fuß an, als wäre sie ein träger Hund, den er vom Ofen hochjagen wollte und griff |305| in ihr Haar, um ihren Kopf hochzuziehen. Empört machte Jakob einen Schritt auf Voß zu, doch Matthias Klare packte ihn am Arm und hielt ihn zurück.
    Voß starrte Sara einen Moment in die leblosen Augen, dann ließ er den Kopf auf das Stroh fallen und meinte: »Also gut, die Hexe scheint wirklich tot zu sein. Doktor, ich möchte Euch bitten, mir zum Rathaus zu folgen, um Eure Aussage zu protokollieren. Meister Klare, Ihr werdet diese Frau verscharren und Ihr, Herr Theis …« Voß baute sich vor Jakob auf. »… Ihr solltet dem Herrn danken, daß er Euch von dieser Hexe befreit hat.«
    »Sie war keine Hexe«, widersprach Jakob.
    »Oh, sicher war sie das, und sie wird nun in der Hölle schmoren, denn sie hatte keine Gelegenheit mehr, Ihre
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