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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage
Autoren: M Wilcke
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ersten Mal gegenübergestanden hatte, hatte sich Jakob von der Gegenwart des Bürgermeisters erdrückt gefühlt. Dessen strenges Wesen, sein unnachgiebiges Handeln und die Art, wie er mit den Menschen, die ihm im Weg standen, umging, hatten Jakob stets verunsichert. Erst jetzt, nachdem es ihm gelungen war, Saras Leben zu retten und damit einen heimlichen Sieg über Peltzer zu erringen, glaubte er sich von dieser Last befreit. Nun galt es für ihn herauszufinden, ob er dem Bürgermeister wirklich gewachsen und in der Lage war, dessen augenscheinlichem Triumph den Glanz zu nehmen.
    Langsam ging er schließlich auf das Haus zu und klopfte an die Tür. Johanna öffnete ihm, blickte ihn mit einem Anflug altgewohnter Schwärmerei an, die rasch einer strengen Reserviertheit |313| wich, und ließ ihn wortlos eintreten. In der Küche traf er auf Frau Peltzer, die wie immer einen bleichen und kränklichen Eindruck machte. Sie hatte sich stets freundlich verhalten, doch nun reagierte sie auf ihn, als trüge er ihr die Pest ins Haus. Ohne jede Begrüßung forderte sie ihn auf, das Haus umgehend zu verlassen. Jakob bat darum, ein Wort mit dem Bürgermeister wechseln zu dürfen. Mißmutig gab sie ihm die Auskunft, daß sich ihr Mann in seinem Studierzimmer aufhielt. Jakob ging die Treppe hinauf und trat den Korridor entlang. An der Tür zum Studierzimmer hielt er einen Moment inne, atmete tief durch und öffnete dann die nur angelehnte Tür.
    Das Quietschen der Scharniere ließ Peltzer, der gebückt über seinem Lesepult saß, aufmerksam werden. Er stand auf, und seine Augen musterten Jakob argwöhnisch.
    »Ihr?« sagte Peltzer. »Was zum Teufel wollt Ihr noch? Wenn Ihr nach Laurentz oder seiner Tochter sucht, so kommt Ihr vergebens. Sie sind vor kurzem abgereist.«
    »Ich weiß«, erwiderte Jakob und machte einen Schritt auf den Bürgermeister zu. Er konnte erkennen, daß noch immer der
Malleus maleficarum
aufgeschlagen dalag.
    Peltzer verzog das Gesicht. »Oder kehrt Ihr reumütig zurück, weil der Tod Eurer kleinen Hexe Euch aus ihrem Bann gerissen hat?«
    Jakob versuchte möglichst gelassen zu reagieren. »Ihr wißt so gut wie ich, daß Sara keine Hexe war.«
    »So, weiß ich das?«
    »Sie war ebensowenig eine Hexe wie Anna Ameldung, Frau Modemann oder Maria Bödiker.«
    Der Bürgermeister tat diese Bemerkung mit einer lapidaren Handbewegung ab. »Wen kümmert das?«
    »Es kümmert die Menschen, die diese Frauen schätzten und liebten. Ihre Angehörigen und Freunde.«
    Peltzer schnaufte verächtlich. »Hier geht es um weit mehr als Freundschaft.«
    |314| »Ihr habt behauptet, die Religion läge Euch am Herzen«, erklärte Jakob. »Wie denkt Ihr, wird Gott Eure Taten beurteilen? Ihr selbst habt in diesem Raum von der Bestimmung gesprochen, die er Euch aufgetragen hat.«
    »Gott? Wo ist dieser Gott?« spottete der Bürgermeister. »Er hat das Land in Krieg und Willkür gestürzt. Nun liegt es in der Hand weniger Menschen, dieses Chaos zu überwinden.« Er machte einen Schritt auf Jakob zu und fixierte ihn mit ernstem Blick.
» Das,
Jakob, ist meine Bestimmung. Diese Stadt kann ihre Freiheit einzig durch mich erlangen, und ich bin bereit, jeden Preis dafür zu bezahlen.«
    Jakob begriff in diesem Moment, wie tief sich der Bürgermeister bereits in das Netz seines krankhaften Ehrgeizes verstrickt hatte. Peltzer sah sich als Heilsbringer dieser Stadt. Seine ersten Erfolge ließen ihn anscheinend in einen Wahn verfallen, der nach immer größeren und unerreichbaren Zielen verlangte. Und um diese Ziele zu erreichen hatte er jeder Scham und jedem Skrupel entsagt.
    »Ihr irrt«, erwiderte Jakob. »Menschen wie Ihr, machtbesessen und krank vor Ehrgeiz, haben unser Land in Blut getränkt. Gott hat sich von Euch abgewandt, und er wird gewiß interessiert verfolgen, wie Ihr zu Fall gebracht werdet.«
    Der Bürgermeister erhob blitzartig seine Hand und umfaßte in einem unangenehmen Griff Jakobs Kinn.
    »Glaubt Ihr, Ihr könntet mich verunsichern? Ihr – ein dummer, einfältiger Bursche, dem vor Angst die Knie schlottern, wenn man ihn zu hart anfaßt.«
    Jakob stieß Peltzer von sich. Der Bürgermeister taumelte einen Schritt zurück und klammerte sich an sein Lesepult, um nicht zu stürzen. »Ihr habt recht, ich hatte Angst«, sagte Jakob. »Angst vor mir selbst, Angst vor den dunklen Mächten und auch Angst vor Euch, doch nun nicht mehr. Ich habe meinen Frieden gefunden. Ihr seid es, der sich fürchten muß. Ich habe dem Grafen Gustavson
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