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Hexenlicht

Hexenlicht

Titel: Hexenlicht
Autoren: Sharon Ashwood
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Technische Spielereien halfen da nicht.
    Holly führte exakt
ein
Hilfsmittel bei sich: ein Haarband, das sie aus ihrer Jackentasche zog. Damit band sie ihr langes braunes Haar zu einem Pferdeschwanz, und schon war sie im Dienst. Das Haargummi bildete ihre Uniform. Wenn sie einen Zopf trug, arbeitete sie.
    »Sicher wissen Sie, dass es im Flanders-Haus schon einige Vorkommnisse gab«, sagte sie. »Die Immobilienfirmen müssen es melden, wenn bei einem Haus oder Grundstück gewisse … Probleme auftauchen.« Holly schaute zu dem Haus und war sich auf unheimliche Weise bewusst, dass es sie ebenfalls anblickte.
    Soweit sie wusste, war Raglan der Erste, der jemanden engagierte, um dieses Haus zu entspuken. Keiner der Vorbesitzer war lange genug geblieben, um das Geld dafür aufzubringen.
    Kein gutes Zeichen.
    Vielleicht probiere ich nächsten Sommer mal, mir die Studiengebühren mit Abwaschen zu verdienen.
    Raglan blähte seufzend seine Wangen auf und zupfte an einem losen Faden an seiner Manschette. »Ich dachte, die ganze Spukgeschichte würde nichts machen. Und die Typen fanden das cool. Dämliches Jungvolk! Der Verkauf war so gut wie abgeschlossen – bis gestern.«
    Holly ging an den Zaun und legte eine Hand auf einen der geschnitzten Pfosten. Die abblätternde Farbe machte die Oberfläche rauh, und das Holz darunter war morsch. Dieses Haus hatte sich in der Vergangenheit oft schlecht benommen; dennoch tat Holly leid, wie es verfiel. Ursprünglich hatte ein Hexenclan es mittels Zaubern errichtet, genau wie Hollys Vorfahren ihr Haus gebaut hatten.
    Häuser wie dies hier waren Teil der Familie, fühlende Wesen. Sie lebten von der frei fließenden Energie, die jeden Hexenhaushalt umgab, dem Leben, der Geschäftigkeit und vor allem der Magie. Jene Energie war es, die ihnen ein Bewusstsein verlieh. Entzog man sie ihnen, setzte ein langsamer Verfall ein, bis nichts mehr außer dem Gerüst aus Holz und Ziegelsteinen existierte.
    Alle paar Jahre hörte man von verlassenen fühlenden Häusern. Jahrhundertelange Verfolgung sowie eine niedrige Geburtenrate hatten ihren Preis gefordert. In ganz Nordamerika waren nur noch ein Dutzend Hexenclans übrig, und diese bestanden zumeist nur aus einer knappen Handvoll Überlebender. Die schwindende Population zog die Häuser in Mitleidenschaft. Zumeist reagierten sie schlicht ruhelos, aber einige wenige wurden in ihrem Überlebenskampf auch böse.
    Wie dieses. Einzig der Denkmalschutz hatte verhindert, dass es schon vor Jahren abgerissen wurde.
    Hollys Mitleid mischte sich mit einer kleinen Portion Angst, denn ein sanftes Ziehen wollte sie durch die Pforte locken. Ein kribbelndes Wispern umfing sie wie ein unsichtbarer Schal. Eine Art Streicheln. Das verrückte alte Haus lud sie ein, hieß sie willkommen.
    Komm herein, kleines Mädchen! Du bist so lebendig, so süß!
    Ein ausgehungertes Haus entzog jedem Lebenden Kraft, machte ihn müde und laugte ihn aus. Wer Magie benutzte, insbesondere eine Hexe, war erst recht verwundbar, besaß er doch umso mehr Energie.
    Eine Hitzewelle überrollte Holly, während ihr Herz schneller schlug und sie kupfrige Furcht schmeckte. Sie strengte sich so sehr an, ruhig zu bleiben und dem Wispern zu widerstehen, dass ihre Zähne weh taten.
    Komm herein, kleines Mädchen!
Der Weg zur Tür bestand aus moos- und unkrautüberwucherten Steinplatten. Für Holly glühte er. Es war der eine Weg, der einzig wichtige Pfad, den sie jemals gehen würde.
Folge ihm, und alles wird besser! Endlich kommst du heim! Holly, meine Liebe, komm zu mir!
    Holly zog ihre Hand von dem Pfosten und trat ein paar Schritte zurück, um Abstand zwischen ihren Füßen und der Grundstücksgrenze zu schaffen. Schweiß klebte ihr das T-Shirt an den Rücken.
    Als sie eine Hand an ihrem Ärmel spürte, zuckte sie nicht zusammen. Dieser besondere Druck, diese Finger waren vertraut, erwartet. Stattdessen vollführte ihr Herz ein Achterbahnlooping vor lauter Freude – ungesunder Freude, wohlgemerkt.
    »Ich habe dich nicht kommen gehört«, sagte sie, drehte sich um und sah auf.
    Alessandro Caravelli maß ungefähr einsachtundachtzig. Das meiste davon machten lange schlanke Beine aus. Sein lockiges, weizenblondes Haar fiel ihm über die Schultern und umrahmte ein längliches kantiges Gesicht, bei dem Holly immer an einen gefallenen Engel denken musste. Sein Ledermantel hatte den abgegriffen knautschigen Look eines alten Lieblingsstücks.
    »Ich glaube, das Haus hatte dich gepackt.« Wenn er
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