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Hexenlicht

Hexenlicht

Titel: Hexenlicht
Autoren: Sharon Ashwood
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1
    W arum haben Sie nicht gleich gesagt, dass es um das alte Flanders-Haus geht?« Hollys Worte wurden von der leeren Dunkelheit auf der Straße verschluckt.
    Steve Raglan, ihr Kunde, nahm seine Mütze ab und kratzte sich am Hinterkopf – gleichermaßen eine Geste der Unsicherheit wie des Trotzes. »Hätte das denn etwas geändert?«
    »Ich hätte mir mein Angebot noch einmal überlegt.«
    »Ja, dachte ich mir.«
    »Aha. Einen verbindlichen Kostenvoranschlag gebe ich Ihnen erst, wenn ich es mir von innen angesehen habe.« Absichtlich verlieh sie ihrem Ton einen Anflug von Furcht. »Wieso haben Sie das Haus gekauft?«
    Er antwortete nicht.
    Von ihrer Warte aus fiel gerade genügend Licht von den Straßenlaternen auf das Grundstück, um es reichlich furchteinflößend erscheinen zu lassen. Drei Stockwerke viktorianischer Eleganz waren zu einem Gruselromanklischee verfallen.
    Eigentlich hätte das Haus sich gut in das geschäftige Viertel am Rande des Fairview-Campus einfügen sollen, waren hier doch viele sehr alte Villen zu Büros, Cafés oder Ateliers umgebaut worden. Aber diese eine stand leer. Tagsüber strahlte die Gegend einen gewissen Bohemien-Charme aus, der diesem Haus allerdings fehlte, und das sowohl bei Tag als auch, und ganz besonders, bei Nacht.
    Die Giebel und Gaubenfenster standen in merkwürdigen Winkeln vom Dach ab, schwarz vor den mondfahlen Wolken. Säulen hielten das schattige große Vordach über der Haustür, und eines der oberen Fenster war mit einer Spanplatte vernagelt, was an eine Augenklappe erinnerte. Keine Frage, dieses Haus hatte Charakter.
    »Also«, begann Raglan hörbar nervös, »können Sie dem Geisterhaus kräftig in den Arsch treten?«
    Holly bemühte sich, nicht verärgert zu reagieren. Sie war eine Hexe, kein mobiles Einsatzkommando. »Ich muss hineingehen und mich umsehen.« Das meiste an ihrem Job mochte sie sehr, aber sie hasste Hausarbeit, und damit meinte sie nicht etwa Staubwischen. Manche alten Gemäuer waren klug, und sie zu neutralisieren konnte heikel bis gefährlich sein. Sie tischten einem alles erdenklich Eklige auf. Raglan konnte von Glück reden, dass sie das Geld dringend brauchte, denn morgen waren die Studiengebühren fällig.
    Die kühle Septemberluft war von Meergeruch geschwängert. Wind raschelte in den Kastanien zu beiden Seiten der Straße, von denen bereits die ersten Blätter abgefallen waren und nun knisternd am Bordstein entlangwehten. Bei dem Geräusch zuckte Holly zusammen; ihre Nerven spielten verrückt. Hätte sie mehr Zeit gehabt, wäre sie bei Tag wiedergekommen, wenn es hell und sonnig war.
    »Drehen Sie dem bloß den Saft ab! Ich werde den Schuppen nicht los, solange der Spuk da drin andauert und jeder Käufer denkt, er ist in Amityville!«, schimpfte Raglan. Der Mann war in den Vierzigern, trug ein schlichtes kariertes Flanellhemd zu einer Jogginghose mit einem Riss an einem Schenkel und schaute verdrossen drein. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er wie eine wabbelige Selleriestange an seinem weißen Geländewagen.
    Holly musste noch einmal fragen: »Also, warum in aller Welt haben Sie das Haus gekauft?«
    Nun stemmte er sich von seiner Autotür ab und ging einen zögerlichen Schritt auf das Grundstück zu. »Es wurde richtig billig angeboten. Eine von den Superstudentenverbindungen suchte was, und ich dachte, ich möble es für schmales Geld auf und mach noch einen guten Schnitt. Den Kids ist schnurz, wie es aussieht. Die wollen bloß genug Platz haben, um Party zu machen.«
    Er griff in seine Tasche und reichte Holly ein Bündel Scheine. »Hier ist Ihre Anzahlung.«
    Prompte Bezahlung, nein, Vorauszahlung war ungewöhnlich bei solchen Typen wie Raglan. Normalerweise musste sie diesen Schlag Kunden anbetteln. Holly blickte auf das Geld und wusste nicht, was sie sagen sollte. Aber sie nahm es.
Er hat Schiss. Sonst hat er nie Schiss.
Andererseits war dies hier sein erstes übles Haus. Bisher hatte er sie nur gerufen, wenn es simple alte Geister zu verscheuchen galt.
    Er musterte sie von oben bis unten. »Und, haben Sie irgendwelches, ähm, Gerät? Eine Ausrüstung?«
    »Für so einen Job brauche ich nicht viel.« Sie stellte sich vor, wie er sie sah: eine kleine Frau Mitte zwanzig in Jeans und Turnschuhen, die einen rostigen alten Hyundai fuhr. Kein Zauberstab, keine Strahlenpistole, keine
Men-in-Black
-Garderobe. Nun ja, Hausräumung, Hauszähmung oder wie immer man das nennen wollte, lief eben nicht so ab wie in den Filmen.
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