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Hexenlicht

Hexenlicht

Titel: Hexenlicht
Autoren: Sharon Ashwood
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irritiert gewesen, dass sie ihn übersehen hatten?
    »Mindestens einer der Studenten ist hier hinaufgegangen«, folgerte sie, stieg die Stufen hinauf und kniete sich hin, um besser sehen zu können. Der Rucksack war von einer gängigen Marke, dunkelblau mit dem Wappen der Fairview-University auf der Vordertasche. Ein Kaffeebecher aus rostfreiem Edelstahl hing an einem der Schultergurte. Holly besaß einen ganz ähnlichen Rucksack, genau wie Ben. Er hatte sie zum Semesterbeginn für sie beide gekauft – eine seiner vielen netten Gesten. Und dass Holly an der School of Business, seinem Institut, angenommen wurde, war sozusagen das Sahnehäubchen gewesen.
    »Wie es aussieht, hat ihn jemand in Eile abgeworfen«, bemerkte Alessandro, der etwas von dem Treppenabsatz aufhob. »Guck mal! Das Handy muss herausgefallen sein.«
    Er klappte es auf, aber hier hatte es keinen Empfang, was in Spukhäusern nicht ungewöhnlich war. Etwas an den Geisterschwingungen störte die Funksignale.
    Der obere Reißverschluss des Rucksacks stand offen. Holly spreizte die Öffnung, um kurz hineinzusehen. Eine gründlichere Durchsuchung des Inhalts wäre Zeitverschwendung, denn der Besitzer tat nichts zur Sache. Wichtig war einzig, dass er in einem schrecklichen flüsternden Haus verlorengegangen war. Dann aber sah sie, was der Rucksack enthielt, und erkannte den Sticker auf dem Laptop:
Wirtschaftswissenschaftler bieten das Angebot für die Nachfrage.
    Holly senkte den Kopf. Ihr Schrecken raubte ihr kostbare Kraft. »Oh, mein Gott, das ist Bens!«
    »Merda!«
Alessandro kniete sich neben sie. »Er muss einer der Professoren gewesen sein, von denen Raglan meinte, dass sie hergekommen wären, um nach den Studenten zu suchen.«
    »Er hat mir nie gesagt, dass er eine Studentenverbindung unterstützt. Verdammt, wo steckt er?« Holly richtete sich auf und lief die restlichen Stufen hinauf. Hatte Ben heute Morgen gesagt, dass er hierherwollte, und sie seinen Frühstücksmonolog einfach ausgeblendet? Vor lauter Angst und schlechtem Gewissen hämmerte ihr das Herz gegen die Rippen.
    »Holly!« Alessandro sprang ihr nach, zwei Stufen auf einmal nehmend.
    Oben befand sich ein breiter Flur, von dem zwei Korridore abgingen. Ein großer Kleiderhaufen türmte sich unheimlich neben dem Treppengeländer. Holly blickte von einer Seite zur anderen, ob sich irgendwo eine Spur des schwarzen Flusses erkennen ließ, den sie im Esszimmer gesehen hatte. Auf einmal war ihr Verstand vollkommen klar, tickten ihre Gedanken mit digitaler Präzision.
    Alessandro blieb stehen und hob den Kopf. Dann holte er hörbar Atem, bevor er das Gesicht verzog. »Hier ist Tod.«
    »Wo?«, fragte Holly tonlos.
Oh, Ben!
    Alessandro zeigte geradeaus.
    Das Knarzen des Hauses verwandelte sich erst in ein kehliges Frauenlachen, dann in ein leiseres Kichern.
Das Haus ist eine Frau.
Die Tatsache, dass es ein Geschlecht besaß, machte alles noch schlimmer. Damit wurde die Angelegenheit persönlicher, zu etwas Besonderem. Und das Haus hatte Ben. Ben, der Holly Kaffee und Bagels mitbrachte. Ben, der gern Thailändisch aß, klassische Cartoons mochte und großartig Füße massieren konnte. Hollys Magen krampfte sich zusammen.
    Gib ihn mir zurück, Haus!
Sie schlich den Flur entlang, wobei sie die Taschenlampe wie einen Knüppel hielt.
Zehn Sekunden, oder du bist nichts als Bauschutt!
    Das letzte Kichern schwand, so dass nur noch leere Stille blieb. Holly ging weiter. Ihre Turnschuhsohlen schlugen zu laut auf die Dielen. Sie öffnete eine Tür nach der nächsten und hielt sich nur lange genug auf, um die leeren Zimmer abzuleuchten. Doch sie entdeckte nichts als kleine schlichte Räume mit Dachschrägen – Schlafzimmer offenbar.
    Frustriert boxte sie mit ihrer Faust gegen die Wand. Das Zentrum des Hauses war ganz in der Nähe. Sie konnte es fühlen, auch wenn sie nicht erkannte, wo genau es lag. »Gib’s auf, Misthaufen!«, schrie sie. »Wo hast du deine Spielkameraden versteckt?«
    Alessandro glitt an ihr vorbei, öffnete die letzte Tür, stieß sie weit auf und wich sofort zurück, um die typische Kampfhaltung einzunehmen. Holly eilte zu ihm und blieb erst stehen, als er eine Hand hob. »Warte! Hier ist die Quelle des schwarzen Flusses«, informierte er sie. »Jetzt sehe ich sie auch. Unten muss ein Blendzauber darübergelegen haben. Das erklärt, wieso die Polizei nichts bemerkt hat.«
    Holly stand inzwischen neben ihm. Er hatte recht. Da war es, entsetzlich klar und deutlich; kein
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