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Hexenlicht

Hexenlicht

Titel: Hexenlicht
Autoren: Sharon Ashwood
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Willenskraft bündelten sich und drängten den Chor der eindringenden Stimmen fort.
    Zurück! Ich muss sechs Leute finden. Sechs Seelen. Sechs Verlorene.
    Nein, sie gehören mir.
    Willst du das wirklich? Ich sage nur: Abrissbirne. Du kriegst nicht einmal mehr die Zeit, um deine Spielzeuge zu verschlingen.
    Dann komm herein, Kleine, und halte mich auf! Ich lade dich ein, nein, ich fordere dich heraus. Wag es nur!
    Die Tür rüttelte. Das unvermittelte Geräusch bescherte Holly eine Gänsehaut. Widerwillig trat sie ein Stück von Alessandro weg, der seine Taschenlampe auf das Schloss richtete. Vor ihrer beider Augen drehte sich der schnörkelige Knauf, bevor die Kassettentür weit aufschwang. Der muffige Geruch von verrottendem Holz und Nitroverdünnung schlug ihnen aus der leeren düsteren Diele entgegen.
    Flüsterlaute wirbelten in der Dunkelheit, als wollten sie den Tanz der Staubflocken nachäffen, die sich im Lampenkegel zeigten. Mit einem Eisklumpen im Bauch schritt Holly über die Schwelle. Die Energie des Hauses peitschte ihr entgegen, ein Gefühl wie finstere Flügelschläge auf ihrem Gesicht und ihren Händen.
    Sie stellte ihre eigene Taschenlampe an. Der Strahl traf auf Alessandros Augen, die in dem strahlenden Gelbbraun einer Wildkatze aufleuchteten.
Raubtier.
    Beim Anblick dieser Augen zuckte Holly unwillkürlich zusammen. Ihr Fluchtinstinkt brachte ihr Herz zum Rasen. Alessandro hob das Kinn. Seine Nasenflügel bebten. Konnte er ihren beschleunigten Puls oder die säuerliche Note ihrer Angst riechen?
    Immer wieder interessant, wenn man für Kollegen ein Nahrungsmittel darstellt
, dachte Holly. In der Zeit, seit sie zusammenarbeiteten, hatte er ihr niemals Anlass zur Sorge gegeben, doch das letzte bisschen Zweifel wollte einfach nicht verschwinden.
    »Wo möchtest du anfangen?«, fragte Alessandro wohltuend beiläufig.
    Er betätigte den Lichtschalter einige Male, um sich zu vergewissern, dass es keinen Strom gab. Im Haus war es komisch still. Dieselbe Magie, die den Strom gekappt hatte, musste auch sämtliche Außengeräusche dämpfen.
    Holly schwenkte ihr Licht nach links. Der Strahl zeigte ihr ein Zimmer, bei dem es sich wahrscheinlich um den Salon handelte. Die Decke war hoch, und Risse zogen sich durch den alten Putz. Es war die Art Zimmer, in der sich plüschige, überweiche viktorianische Möbel gut gemacht hätten. Jetzt war der Raum leer bis auf ein paar Farbdosen und schmutzige Lumpen, die für den durchdringenden Chemiegestank verantwortlich sein mussten.
    Holly verlangsamte ihre Schritte und fügte die Brocken ihres Plans zusammen. »So, wie es sich anfühlt, wird es sich nicht kampflos ergeben. Wenn wir die sechs Opfer gefunden und nach draußen geschafft haben, versuche ich, das Haus zu neutralisieren, indem ich die ursprünglichen Belebungszauber breche. Falls das nicht klappt, könnte ich die Feuerwehr rufen. Das wäre allerdings meine letzte Wahl.«
    Etwas im Bewusstsein des Hauses bewegte sich – fast, als würde es zusammenfahren.
    Alessandro nickte. »Suchen wir Zimmer für Zimmer nach den verlorenen Studenten ab?«
    »Ja, machen wir erst mal einen Rundgang.« Sie blickte sich um und ermahnte sich, auf schwebende oder fallende Gegenstände zu achten. Das Haus konnte mit allem kämpfen, was es gewiss auch würde, ehe die Nacht vorüber war. Den Taschenlampenstrahl hin und her schwenkend, ging Holly durch den Salon. Alessandro war direkt neben ihr.
    Jemand hatte einen Bagel in einer Campus-Joe’s-Serviette sowie eine Zeitung liegen gelassen. Alessandro hob den Hauptteil der Zeitung hoch. »Die ist von heute.«
    »Dann muss sie einem der Profs gehört haben, die heute Morgen herkamen.« Holly überflog die Schlagzeile, angezogen von den fetten schwarzen Lettern.
    Pitbull frisst Zombie: Mord oder Müllbeseitigung?
    Schaffen die Kanadier zwei Siege in Folge gegen die Oilers?
    Neues Gesetz gegen Vagabundieren auf Dächern sorgt für Obdachlosigkeit bei Kobolden in Richmond.
    Holly erinnerte sich, dass ihr Freund Ben beim Frühstück ohne Ende über das Gesetz gegen Vagabundieren und die Mietkontrollen geredet hatte. Bedauerlicherweise war er sowohl ein Morgenmensch als auch ein Nachrichtenjunkie. Ihn hatte bereits das Semesteranfangsfieber gepackt, und er konnte es gar nicht erwarten, seine Wirtschaftsstudenten wieder zu unterrichten. Am Morgen des ersten Semestertages lief er faktisch im Flummimodus, der sich über eine ganze Weile aufgebaut hatte.
    Alessandro hielt die Zeitung ins Licht
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