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Herzflattern im Duett

Herzflattern im Duett

Titel: Herzflattern im Duett
Autoren: Franziska Gehm
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fünf oder zehn Jahre.«
    »Aber eins ist klar: Das ist Ali Bin Schick!« Daka nickte bestimmt.
    »Das«, sagte Liselotte Schilbnic und zeigte auf das Foto, »ist mein Bruder Kai.«
    »Ihr Bruder?«, rief Daka. »Das ist ja großartig! Dann wissen Sie bestimmt, wo wir ihn finden.«
    »Ja!«, stimmte Silvania zu, die wie verrückt mit dem Fächer wedelte. »Sie müssen seine Adresse kennen oder seine Telefonnummer.«
    Liselotte Schilbnic schüttelte kaum merklich den Kopf. »Mein Bruder hat keine Telefonnummer.«
    Helene, Silvania und Daka sahen sich erstaunt an. Welcher Mensch hatte denn heutzutage keine Telefonnummer mehr? Die meisten hatten sogar zwei. Ganz wichtige Leute manchmal auch drei. Sogar im tiefsten Transsilvanien lösten die ›Mobilnoi‹, wie die Handys auf Vampwanisch hießen, die Brieffledermäuse zunehmend ab. Immer mehr Brieffledermäuse wurden arbeitslos oder bereits mit 15 Jahren in den Ruhestand geschickt. Den meisten machte das nichts aus. Sie schulten um und wurden Fluglotsen, Höhlenführer oder holten einfach ihren Winterschlaf nach.
    Ludo allerdings wirkte von der Tatsache, dass Kai Schilbnic keine Telefonnummer hatte, nicht überrascht. Er blickte steif auf das Foto und verzog keine Miene.
    »Aber ... aber eine Adresse wird Ihr Bruder doch haben?«, sagte Silvania.
    Liselotte Schilbnic schlug mit einem Mal das Fotoalbum zu und drehte sich zu ihren Besuchern um. »Jetzt erzählt ihr mir erst einmal genau, wo ihr diesen Schiri Bin Nick getroffen habt und wieso ihr ihn sucht.«
    »Ali Bin Schick«, verbesserte sie Daka.
    »Diesen Mann«, sagte Liselotte Schilbnic und zeigte auf das Phantombild, das Daka noch in der Hand hielt.
    Silvania und Daka erzählten vom Jahrmarkt, vom Orakulum Spektakulum, vom ausgestopften Tiger, vom Fußlesen und von den Sehnsuchtsblüten. Sie erzählten von der weiten hellen Hose, dem verknoteten Hemd und vom Turban. Sie erzählten sogar von den lackierten Zehennägeln. Nur ihre Wünsche verrieten sie nicht.
    Liselotte Schilbnic lauschte die ganze Zeit gespannt. Ab und zu schmunzelte sie. Ab und zu runzelte sie die Stirn. Und ab und zu wurden ihre wässrigen graublauen Augen ganz traurig.
    »... und deshalb müssen wir ihn finden. Wir müssen die Wünsche reklamieren, verstehen Sie?«, schloss Silvania.
    Frau Schilbnic nickte langsam. »Ja, das verstehe ich.«
    »Dann geben Sie uns also die Adresse von Ihrem Bruder?«, fragte Daka.
    »Es tut mir sehr leid, aber das kann ich nicht«, erwiderte Frau Schilbnic. Sie konnte den Mädchen dabei nicht in die Augen sehen.
    Auch Ludo sah zu Boden.
    »Aber ... aber wieso denn? Ist Ihr Bruder hauptberuflich vielleicht ... ein Geheimagent?«, fragte Daka.
    Liselotte Schilbnic schüttelte den Kopf.
    »Oder ein Weltenbummler?«, fragte Silvania.
    Liselotte Schilbnic wiegte den Kopf.
    »Oder eine sehr berühmte Persönlichkeit. Allerdings nicht so berühmt, dass wir ihn kennen«, überlegte Daka laut.
    Liselotte Schilbnic faltete die Hände zusammen und seufzte. »Nein. Mein Bruder ist weder ein Geheimagent noch ein Weltenbummler noch eine sehr berühmte Persönlichkeit.« Frau Schilbnic hielt kurz inne. Sie holte Luft und sagte: »Mein Bruder ist tot.«
    Eine geschlagene Minute blieb es in der kleinen Wohnung still wie in einem Grab. Keiner bewegte sich. Keiner sagte ein Wort. Man hörte nur aus der Küche den Wasserhahn tropfen.
    Silvania hielt noch immer den Fächer in der Hand und sah aus wie eine Wachsfigur aus dem Kabinett der Madame Tussauds. Daka stand der Mund offen und ihre geschrumpften Eckzähne wurden kalt. Helene hielt sich an einer Stuhllehne fest. Auf beiden Armen hatte sie Gänsehaut. Ludo hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und sah auf einen unbestimmten Fleck an der Wand. Schließlich nahm er die Hände langsam aus den Hosentaschen und räusperte sich. »Das tut uns leid, das mit Ihrem Bruder.«
    Liselotte Schilbnic nickte. »Schon gut. Ist ja nun schon über zehn Jahre her.«
    Silvania, die ihr Wachsfigurdasein mit einem Schaudern beendet hatte, fragte: »Aber wie kann das sein? Wir haben ihn doch gesehen!«
    »Ja, er stand vor uns und hat sich bewegt. Er hat geredet und geatmet. Er war echt. Und er war ganz bestimmt der Mann, den Sie uns auf dem Foto gezeigt haben«, sagte Daka.
    »Ich kann mir vorstellen, wie unheimlich das für euch sein muss«, sagte Frau Schilbnic. »Aber was meint ihr, wie es mir ging, als ich das Phantombild gesehen habe! Ich dachte, jemand erlaubt sich einen schlechten
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