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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel
Autoren: Ramona Ziegler
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stand, fing sie lauthals an zu lachen und bald lachte die ganze Familie mit. Mit flinker Hand hängte sie die tropfnasse Kleidung um den Küchenherd zum Trocknen auf, dann saßen alle um den Tisch in der Küche und tranken Milchkaffee und dazu wurde der etwas angebrannte, bröselige Gugelhupf gegessen.
    »Wenn man ihn in den Kaffee eintaucht, dann schmeckt man es kaum noch, dass er zu lange im Ofen war«, meinte Daniel verständnisvoll, als er schon das fünfte Stück in der Hand hielt. Wieder lachten alle, nur Anna schaute verlegen drein. Der Vater fragte Daniel beim Kaffeetrinken ziemlich aus, was Anna gar nicht recht war.
    Wegen des anhaltend schlechten Wetters trat Daniel an diesem Abend den Heimweg nicht mehr an. Er nächtigte in der Tenne über dem Stall. Dort war es warm von den Kühen und Annas Mutter hatte ihm auch noch Decken mitgegeben. Der Vater schaute dreimal, ob auch alle Türen verschlossen waren. Er ließ sogar die Tür zum Gaden zur Sicherheit einen kleinen Spalt offen stehen.
    Bevor Anna zu Bett ging, legte sie nochmals Holz in den Küchenofen und drehte Daniels immer noch feuchte Kleidung auf die linke Seite, damit sie über Nacht gut trocknen konnte. Der Vater rief sie zu sich ins Schlafzimmer und schimpfte mit ihr. Er fragte aufgebracht, ob sie ganz närrisch geworden wäre, Holzarbeit sei doch keine Frauenarbeit, doch Anna wusste, er wollte ihr nur zeigen, dass seine Augen und Ohren heute Nacht überall sein würden.
    Am nächsten Morgen half Daniel Annas Brüdern bei der Stallarbeit und als der alte Bader nach dem Rechten sehen wollte, war der Stall bereits sauber gemistet und die fünf Kühe und drei Kälber schon zum Weiden auf der Wiese hinter dem Haus. Mittlerweile hatte es zu regnen aufgehört, und Daniel hatte seine getrockneten Sachen wieder angezogen. Die drei jüngeren Brüder von Anna waren bereits in der Schule und sie saß mit Daniel noch am Küchentisch, um sich für den nächsten Sonntag zu verabreden. Lange konnten sie nicht ungestört zusammen sein, denn die Mutter kam dauernd in die Küche und tat ganz beschäftigt.
    Als Daniel sich bei Annas Eltern bedankt und verabschiedet hatte, gab er auch Anna zum Abschied mit einem warmen Lächeln die Hand und verschwand dann mit strammem Schritt hinter dem Nachbarhaus.
    Anna war glücklich, glücklicher, als sie sich jemals in ihrem bisherigen Leben gefühlt hatte. Doch dieses Glück sollte nicht von langer Dauer sein.

ZWEITES KAPITEL
    Als der alte Bader am Mittwochabend vom Stammtisch nach Hause kam, war sein Blick finster und seine Stimmung gedrückt. Seine Frau merkte sogleich, dass etwas nicht in Ordnung war, und fragte ihn vorsichtig, was denn passiert sei.
    »Der Daniel ist kein so unbeschriebenes Blatt, wie es scheint. Stell dir vor, erst im letzten Jahr war er mit seinem Bruder vier Wochen im Gefängnis, weil sie beim Wildern erwischt worden sind. Ich will heute Abend mit der Anna sprechen und ihr den Umgang mit dem Burschen verbieten.«
    Als der Vater Anna nach der Stallarbeit auf das Gehörte ansprach, sagte sie, sie wisse schon Bescheid darüber, Daniel würde aber seit damals nicht mehr wildern.
    Annas Eltern mussten erkennen, dass ihre Tochter Mittel und Wege finden würde, sich mit Daniel zu treffen, auch wenn sie es ihr verbieten würden. Also wollten sie lieber ein Augenmerk darauf haben, wenn sich Daniel am Sonntag wieder bei ihnen in Bolsterlang einfinden würde. Und spätestens wenn Anna wieder auf die Alpe Rangiswang gehen und den Sommer über dort oben mit ihren drei jüngeren Brüdern arbeiten musste, würden ihr die Flausen und Träumereien schon vergehen. Gerade für eine junge Frau war es mit dem Vieh harte, schwere Arbeit und Käse und Butter mussten auch noch jeden Tag gemacht werden.
    Doch während der nächsten Wochen kam Daniel jeden Sonntag, und als Anna dann auf der Alpe war, klopfte es eines Samstagnachts leise an ihrem Zimmerfenster. Im Nu stand sie auf, huschte zur Eingangstür der Hütte und fragte erwartungsvoll: »Wer ist da?«
    »Wer soll schon da sein, ich bin es!«
    »Und wer ist ich?«, hakte Anna freudig nach, denn natürlich hatte sie seine dunkle Stimme sofort erkannt.
    »Daniel, direkt von der Breite!«, flüsterte er, um ihre schlafenden Brüder nicht zu wecken.
    Mit heftigem Herzklopfen öffnete Anna vorsichtig die Tür und sie standen sich etwas verlegen gegenüber. Barfuß, nur mit ihrem langen Nachthemd bekleidet und mit ihrem schönen Haar, das sie jetzt offen trug und das ihr weit
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