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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel
Autoren: Ramona Ziegler
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entlocken. »Beeilt euch lieber, in anderthalb Stunden fängt in Fischen der Gottesdienst an, und der Vater wäre sehr ungehalten, wenn ihr zu spät dran seid! Und habt ihr auch den Zettel, auf dem ich alles aufgeschrieben habe, was ihr heute Abend mitbringen sollt?«, fügte sie noch etwas schärfer hinzu, da die Burschen immer ihre Gedanken ganz woanders zu haben schienen.
    »Hier, ich habe den Zettel, und natürlich ist uns Euer Auftrag wie immer Befehl«, gab einer von ihnen schnippisch zurück und sie eilten gut gelaunt talwärts.
    Kaum saß Anna am offenen Feuer und rührte die Milch im Kupferkessel, da plagten sie nun doch Gewissensbisse wegen dem, was letzte Nacht passiert war. Würde sie Daniel wiedersehen oder würde er sich nun von ihr fernhalten, da er bekommen hatte, was er wollte? Hatte sie es ihm zu leicht gemacht? Sie hätte stark sein sollen, hätte sich auf jeden Fall sträuben sollen, ein bisschen zumindest …
    »Gibt es hier vielleicht auch etwas zu essen?«, riss sie eine mittlerweile vertraute Männerstimme aus ihrer Grübelei. Anna errötete und nickte beschämt. Doch schneller, als sie sich erheben und ihm etwas auf den Tisch stellen konnte, hatte er sich schon neben sie gesetzt und seinen Arm um ihre Schulter gelegt. Sie lehnte den Kopf an seine Brust, und er nahm ihr den großen, hölzernen Rührlöffel aus der Hand und begann gleichmäßig die immer wärmer werdende Milch selbst zu versorgen.
    Anna stand auf und machte ihm Rührei mit Speck, dazu gab es frische Milch. Es schien ihm sichtlich zu schmecken, so schnell hatte er das Frühstück verschlungen. Anna hatte wieder das Rühren übernommen, und als das Thermometer die richtige Temperatur anzeigte, schwenkte sie den Kessel von der Feuerstelle. Dann eilte sie in den Käsekeller und holte das Lab. Sie leerte eine kleine Menge aus der Flasche, vermengte die Flüssigkeit zunächst in einer Keramikschüssel mit kalter Milch, dann goss sie die Mischung vorsichtig in die erhitzte Milch, während sie von Daniel durch weiteres gleichmäßiges Umrühren unterstützt wurde.
    Er beobachtete sie bei ihren Tätigkeiten und bewunderte sie für ihre Umsicht und ihre flinken Handgriffe. Als die Milch geronnen war, nahm Anna das Harfenrührgerät, das die gestockte Milch in viele kleine Einzelteile durchtrennte, dann wurde der Kessel wieder über die Feuerstelle geschwenkt, in die Daniel soeben neue Holzscheite geworfen hatte.
    »Sei vorsichtig«, ermahnte ihn Anna, »die auffliegende Asche könnte in die Milch kommen. Dann haben wir häss liche schwarze Flecken im Bergkäse.«
    Mit der Zeit schwammen lauter kleine Kügelchen in der Molke, die Anna schließlich mit einem grob gewirkten Käsetuch geschickt aus dem Kessel fischte. Als der Käse dann endlich in seiner Form lag, forderte Anna Daniel auf, den schweren Stein darüber einzuspannen, der die Feuchtigkeit herauspresste. Die verbliebene Molke aus dem Kessel schüttete er den Schweinen in den Trog neben der Hütte. Zum Schluss wurde der Kessel gereinigt und der feuchte Boden gewischt. Die Arbeit war fürs Erste getan. Nun hatten sie Zeit für sich.
    Sie machten sich auf den Weg zum Gipfel des Rangiswanger Horns. Es war kein anstrengender Aufstieg, eher eine kleine Wanderung, wie geschaffen für einen Sonntag. So konnten sie nebeneinanderher schlendern und, beflügelt von ihrer guten Laune, die ihnen geschenkte freie Zeit nutzen, um miteinander herumzualbern. Je weiter sie nach oben kamen, desto ernsthafter wurde ihr Gespräch. Anna begann, von ihren Ängsten und Befürchtungen, was die vergangene Nacht betraf, ohne Scheu zu sprechen, doch Daniel versicherte ihr seine Ernsthaftigkeit, auch wenn er alles so widerstandslos hatte erreichen können, denn er liebe sie aufrichtig und vom ersten Augenblick an, als sie sich damals unter der Linde in die Augen geblickt hatten. »Da hat es mich wie mit einem Blitz durchfahren und ich wusste, das ist die Frau meines Lebens.«
    Jetzt war Anna sicher, es war richtig gewesen, sich ihm hinzugeben, sich ihm letzte Nacht ganz hinzugeben, denn er gab seinerseits alles zurück. So, wie sie sich ihm schenkte, so schenkte er sich ihr. Mit dieser Sicherheit des Herzens durchlebten sie einen Sommer voller Zärtlichkeit und Leidenschaft, einen Sommer, der wie alles Schöne im Leben viel zu schnell vorüber war.

DRITTES KAPITEL
    Als der September kam, war es mit der Freiheit vorbei. Der Alpsommer war zu Ende und die Vorbereitungen für den Almabtrieb wurden getroffen.
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