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Heiratsmarkt

Heiratsmarkt

Titel: Heiratsmarkt
Autoren: Georgette Heyer
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voraus."
    Lady Buxted, unfähig, angemessene Worte zu finden, flüchtete sich in einen Tränenausbruch und stieß zwischen ihrem Schluchzen Vorwürfe gegen ihren Bruder wegen seiner Unfreundlichkeit aus. Aber wenn sie gemeint hatte, sein Herz durch diese Taktik zu erweichen, irrte sie gewaltig. Unter allem, was ihn anödete, standen weibliche Tränen und Vorwürfe an erster Stelle. Mit einer Besorgnis, die nicht überzeugend klang, sagte er, wenn er vermutet hätte, dass sie sich unpässlich fühle, dann würde er ihr seine Gegenwart nicht aufgedrängt haben. Damit verabschiedete er sich. Die inbrünstig geäußerte Hoffnung seiner Schwester, sie wolle es zumindest noch erleben, dass er das bekomme, was er verdiene, begleitete ihn auf seinem Weg.
    Sowie sich die Tür hinter dem Marquis geschlossen hatte, hörte sie zu weinen auf und hätte ihren Gleichmut einigermaßen wiedergefunden, doch beliebte es ihrem älteren Sohn, kurz darauf hereinzukommen und sie mit einem bedauerlichen Mangel an Takt zu fragen, ob sein Onkel sie besucht habe und, wenn ja, was er auf ihren Vorschlag erwidert hatte. Als er erfuhr, dass Alverstoke genauso ungefällig war, wie sie es ja immer schon vorausgesehen hatte, setzte er eine ernste Miene auf, bemerkte jedoch, er könne es nicht bedauern, denn der Plan könne ihm nicht gefallen, nachdem er sich die Sache sorgfältig überlegt habe.
    Lady Buxted war von Natur aus kein liebendes Gemüt. Sie war genauso egoistisch wie ihr Bruder, jedoch bei Weitem nicht so ehrlich, denn sie gestand sich ihre eigenen Fehler nicht ein, ja erkannte gar nicht, dass sie welche besaß. Sie hatte sich seit Langem eingeredet, dass ihr Leben ein einziges Opfer für ihre vaterlosen Kinder sei. Durch das einfache Mittel, die Namen ihrer beiden Söhne und drei Töchter mit liebevoll schmückenden Beiwörtern zu versehen und liebreich von ihnen (freilich nicht unbedingt zu ihnen) zu sprechen und aller Welt kundzutun, sie kenne keinen Gedanken, kein Streben, das sich nicht um ihre Sprösslinge drehe, gelang es ihr, in den Augen der unkritischen Mehrzahl als aufopfernde Mutter dazustehen.
    Von ihren Kindern war Carlton, den sie etwas zu häufig als ihren Erstgeborenen bezeichnete, ihr Liebling. Er hatte ihr noch nie Ursache zur geringsten Besorgnis gegeben. Aus einem stumpfsinnigen kleinen Jungen, der seine Mama so hinnahm, wie sie sich selbst einschätzte, war ein würdiger junger Mann geworden, der ein tiefes Gefühl für Verantwortung und einen ernsten Charakter besaß, der ihm nicht nur die Pannen ersparte, in die sein lebhafterer Vetter Gregory geriet, sondern ihn auch unmöglich verstehen ließ, was Gregory oder sonst einer seiner Altersgenossen für ein Vergnügen an Streichen und Herumtreiberei fanden. Carltons Verstand war mäßig, sein Denkprozess langsam und umständlich, aber eingebildet war er nicht.
    Sein einziger Stolz war, so vernünftig zu sein. Auch fühlte er keine Eifersucht auf seinen jüngeren Bruder George, obwohl er klar erkannte, dass dieser weitaus mehr Intelligenz besaß. Ja, er war sogar stolz auf George und hielt ihn für einen sehr scharfsinnigen Jungen. Zwar hatten ihm seine Studien gezeigt, dass ein so schwungvolles Temperament, wie es George besaß, diesen vielversprechenden Jungen durchaus vom Pfad der Tugend abbringen konnte, aber er enthüllte seiner Mutter weder diese Befürchtung noch teilte er ihr seine Absicht mit, ein wachsames Auge auf George zu haben, wenn dessen Schulzeit zu Ende ging. Er vertraute sich ihr nicht an und setzte sich auch nicht mit ihr auseinander. Und selbst zu seiner Schwester Jane hatte er noch nie ein kritisches Wort über seine Mutter geäußert.
    Er war vierundzwanzig Jahre alt, aber da er bisher noch nie die leiseste Absicht gezeigt hatte, sich durchzusetzen, war es für seine Mutter eine unangenehme Überraschung, als er jetzt sagte, er sehe keinen Grund, warum Janes Debütantenball im Hause seines Onkels und auf dessen Kosten abgehalten werden sollte. Mit einem Schlag schwand ihre Zuneigung zu ihm, und da ihr Zorn ohnehin schon geweckt war, hätten sie einander bald in den Haaren gelegen, hätte er sich nicht klugerweise aus dem Gefecht zurückgezogen.
    Es bereitete ihm Kummer, als er sofort darauf entdeckte, dass Jane die Gefühle ihrer Mutter in dieser Sache teilte und versicherte, es sei abscheulich von Onkel Vernon, dass er sich so ungefällig und knauserig zeigte, aus Geiz keine paar hundert Pfund auszugeben.
    „Ich bin überzeugt, Jane", sagte
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