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Heiratsmarkt

Heiratsmarkt

Titel: Heiratsmarkt
Autoren: Georgette Heyer
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1. KAPITEL
    Vor fünf Tagen hatte die verwitwete Lady Buxted ihren Bruder, den Höchst Ehrenwerten Marquis von Alverstoke, in einem Sendschreiben dringend ersucht, sie so bald wie nur irgend möglich zu besuchen. Nun konnte sie erleichtert aufatmen, denn ihre jüngste Tochter kündete soeben die Ankunft von Onkel Vernon an: „Er trägt einen Mantel mit Dutzenden von Schultercapes, und er sieht überhaupt todschick aus. Außerdem fährt er ein smartes neues Karriol, Mama, und einfach alles an ihm ist prima!", erklärte Miss Kitty, die Nase platt an die Fensterscheibe gedrückt. „Er ist doch der enormste Stutzer, was, Mama?"
    Lady Buxted antwortete tadelnd, solche Ausdrücke schickten sich nicht für eine junge Dame von Stand, und beorderte ihre Tochter ins Schulzimmer.
    Lady Buxted gehörte nicht zu den Verehrerinnen ihres Bruders, und die Nachricht, dass er seine zweirädrige Kutsche persönlich zum Grosvenor Place gelenkt hatte, trug nicht gerade dazu bei, ihn in ihrer Gunst steigen zu lassen. Es war ein schöner Frühlingsmorgen, aber es wehte ein scharfer Wind, und kein Mensch, der den Marquis kannte, hätte angenommen, dass er seine Vollblüter länger als einige Minuten warten lassen würde. Das verhieß nichts Gutes für den Plan, den die Lady im Sinn hatte. Denn Alverstoke war zweifellos das egoistischste und ungefälligste Geschöpf unter Gottes Sonne.
    Ihre Schwester, Lady Jevington, eine gebieterische Matrone jenseits der vierzig, teilte diese Einschätzung nur unter Vorbehalt. Auch sie hielt ihren einzigen Bruder für egoistisch und ungefällig, aber sie sah beim besten Willen keinen Grund, warum er für Louisa mehr tun sollte als für sie selbst. Was Louisas zwei Söhne und drei Töchter betraf, so konnte Lady Jevington ihrem Bruder keinen Vorwurf daraus machen, dass er sich für keinen der Sprösslinge interessierte. Es war wirklich unmöglich, sich für derart gewöhnliche Kinder zu interessieren. Dass er sich jedoch genauso wenig für ihre eigenen Nachkommen interessierte, deutete in der Tat auf eine egoistische Veranlagung hin. Jeder Mensch hätte angenommen, dass ein Junggeselle, der nicht nur ersten Standes, sondern außerdem beträchtlich reich war, nur zu froh gewesen wäre, einen so vielversprechenden Neffen, wie es ihr geliebter Gregory war, in den erlesenen Kreis aufzunehmen, dem Alverstoke selbst zur Zierde gereichte, und er hätte sich bemüht, die liebe Anna in die vornehme Welt einzuführen. Dass Anna ohne die geringste Hilfe seinerseits dennoch standesgemäß verlobt worden war, milderte ihre Entrüstung keineswegs. Zwar musste sie zugeben, ihr altmodischer Ehemann erinnere sie zu Recht daran, dass sie die leichtfertige Clique missbilligte, zu der Alverstoke gehörte, und sie hatte auch häufig der Hoffnung Ausdruck verliehen, Gregory würde dort niemals hineingeraten. Dennoch konnte sie es Alverstoke noch immer nicht verzeihen, dass er es nicht einmal versucht hatte, Gregory dort einzuführen. Sie sagte, es hätte sie keinen Deut gekümmert, wenn sie nicht mit gutem Grund annehmen müsste, dass Alverstoke seinen jungen Vetter und Erben Endymion nicht nur als Kornett in die Life Guards eingekauft hatte, sondern ihm außerdem noch eine schöne Apanage zukommen ließ. Worauf Lord Jevington antwortete, er sei durchaus imstande, für seinen Sohn selbst zu sorgen, der ohnehin keinen wie immer gearteten Anspruch an seinen Onkel hatte. Er persönlich könne es Alverstoke nur hoch anrechnen, dass er so vernünftig war und sich davor zurückhielt, den Eltern des Ehrenwerten Gregory Sandridge finanzielle Hilfe anzubieten, was diese nur als Kränkung hätten empfinden können. Das stimmte durchaus; trotzdem war Lady Jevington der Meinung, wenn Alverstoke auch nur ein Körnchen Anstandsgefühl besäße, dann hätte er für seine Gunst nicht einen bloßen Vetter statt seines ältesten Neffen ausgewählt. Ihrer Meinung nach wäre in einer besser organisierten Gesellschaft sein Erbe ohnehin der Sohn der ältesten Schwester, nicht aber ein entfernt verwandter Vetter.
    Lady Buxted freilich hätte Gregory nicht gern in so unfairer Weise erhoben gesehen, stimmte jedoch im Allgemeinen ihrer Schwester zu, denn beide Damen waren sich einig in ihrer Verachtung des Mr. Endymion Dauntry, den sie zu einem ausgemachten Klotz stempelten. Ob aber ihre Feindseligkeit diesem untadeligen jungen Mann gegenüber ihrer Abneigung gegen seine verwitwete Mama entsprang oder aber seinem schönen Gesicht und der prachtvollen
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