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Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)

Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)

Titel: Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
Autoren: Elena Forbes
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Eins
     
    Der Grabstein war fast einen Meter achtzig hoch, verwittert und von Flechten überzogen. Zwei Cherubim mit runden Wangen rahmten die Inschrift: »Wie kurz das Leben, wie schnell kommt der Tod.« Schnell kommt der Tod. Wie wahr. Sie war spät dran, seine Braut, seine Gefährtin. Bis dass der Tod uns scheidet. Über zehn verdammte Minuten zu spät, wie ihm auffiel, als er einmal mehr auf die Uhr sah. Hatte sie denn nicht das geringste Gespür für den Anlass? War es ihr egal, dass er hier in der Kälte stand und auf sie wartete? Bald würde es dunkel sein. Die Leute würden sich von der Arbeit auf den Heimweg machen, und ihre Chance wäre vertan.
    Er schaute zum Kirchhoftor, die weiße Wolke seines Atems wurde vom Wind davongeweht. Noch immer niemand zu sehen. Er stampfte mit den Füßen auf die Grabplatte, um sich warm zu halten, stopfte die Hände tief in die Manteltaschen und zog sich unter das Kirchenportal zurück. Der Feierlichkeit halber hatte er sich eine Blume ins Knopfloch stecken wollen, sich dann aber doch dagegen entschieden. Zu auffällig. Außerdem hasste er Blumen.
    Wo zum Teufel steckte sie? Womöglich hatte sie von Anfang an gar nicht vorgehabt zu kommen. Womöglich hatte sie ihn die ganze Zeit an der Nase herumgeführt. Bei dem Gedanken grub er sich die Fingernägel tief in die Handflächen, spuckte über die Schulter auf den Boden und malte sich aus, was er mit ihr anstellen würde, sollte sie ihn versetzen. Nur die Ruhe, sagte er sich, betrachtete die dicken Spinnweben, die sich wie Gaze zwischen den Pfeilern des Portals spannten, und verharrte bei einer fetten toten Fliege, die in dem klebrigen Netz gefangen war. Sie würde kommen. Sie musste kommen. Sie würde es nicht wagen, ihn zu enttäuschen.
    Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr und drehte sich hastig zur Straße um. Da stand sie, auf der obersten Stufe am Ende des Fußwegs, umrahmt von dem schmiedeeisernen Torbogen, und schaute mit ängstlichen Augen zu ihm auf. Ihr weißes Gesicht, von langem, welligem Haar verhängt, war ausdruckslos wie der Vollmond. In seinen Handflächen kribbelte der Schweiß, eine Welle der Erregung durchfuhr ihn und stellte ihm die Nackenhaare auf. Er atmete zischend aus, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und befeuchtete sich die Lippen, während er zusah, wie sie durchs Tor schritt und auf ihn zukam. Ihre Bewegungen waren abgehackt wie die eines kleinen Vogels, nervös und zögerlich, die Augen nur auf ihn gerichtet. Sie war jünger, als er sie sich vorgestellt hatte, höchstens vierzehn oder fünfzehn. Sein Mädchen, seine Braut. Sie war perfekt. Ihm stockte der Atem, und er brachte kein Wort heraus.
    Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, darauf hatte er bestanden. Ein alter Regenmantel, der ihr mehrere Nummern zu groß war und aussah wie geliehen oder im Secondhand-Laden gekauft, darunter der zipfelige Saum eines langen Rocks und schwere Stiefel mit Lasche und silberner Schnalle am Knöchel. Er musterte sie eingehend und war zufrieden, dass sie getan hatte, wie ihr geheißen.
    Unsicher blieb sie einige Schritte vor ihm stehen und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Sind Sie Tom?«
    Sie sprach mit hoher Stimme und kindlichem Tonfall. Er hörte einen schwachen Akzent heraus, den er nicht zuordnen konnte. Mühsam seine Erregung beherrschend, trat er aus dem Schatten heraus und hielt ihr lächelnd den Arm entgegen, um sie in Empfang zu nehmen.
    »Gemma.«
    Zitternd und zaghaft streckte sie ihm aus dem aufgerollten Mantelärmel die kleine Hand hin. Ihre Finger, die er kurz an seine Lippen drückte, waren eiskalt und schlaff. Als er ihre Haut berührte, stieg ihm der schwache Geruch von Pears-Seife in die Nase und rief alte, unschöne Erinnerungen wach. Ein klein wenig zu schnell ließ er ihre Hand wieder los, und sie schaute beschämt zur Seite und verschränkte die Arme vor der Brust. Sanft fasste er sie am Ellbogen und zog sie zu sich.
    »Liebste Gemma, wie schön du bist. Viel schöner, als ich mir erhofft hatte. Viel, viel schöner. So wunderschön.«
    Den Blick starr auf die Füße geheftet, lief sie rot an und wand sich schüchtern, aber erfreut. Ohne Zweifel hatte ihr das noch nie jemand gesagt.
    »Bist du sicher, dass du es wirklich willst?«, fragte er.
    Sie schaute zu ihm auf und suchte mit den hell bewimperten Augen in seinem Gesicht nach etwas, das ihr Zuversicht geben sollte, vielleicht, oder nach etwas anderem. Gefiel ihr, was sie da sah? Fand sie ihn attraktiv?
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